Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Wäre das diesjährige Donauinselfest ein Mensch, würde man es fest drücken und ihm versichern wollen, dass alles bald wieder gut wird. Unrealistisch ist das nicht zuletzt, weil Umarmungen an Fremde zu verteilen, gerade an Wahnsinn grenzen würde. Damit hätte auch das menschgewordene Donauinselfest ein Problem, denn Sicherheit ist hier oberstes Gebot. Auch bei seinen Besuchern: Ein Pärchen um die 30 Jahre und eine Vierergruppe, bestehend aus Mittfünfzigern, sagen dasselbe: "Hier fühlen wir uns sicher." Die einen sind zwar wegen des Electroswingers Parov Stelar hier, die anderen freuen sich auf die Legenden von Opus, aber generationsübergreifend gilt: "Safety first."

Keine Schlangen

Das Donauinselfest, das gerade noch über die Bühne gehen kann, teilte sich heuer in zwei Teile: Zuerst wurde mit einem mit Acts bestückten Bus 80 Tage lang durch die Wiener Bezirke getourt: Wo und wann er stehenblieb, wurde vorab kaum angekündigt, da Menschenansammlungen verhindert werden sollten. Zum Finale des hashtagisierten #Dif findet nun ein stark verkleinertes Donauinselfest ebendort statt – an zwei Tagen spielt ein bunter Mix aus heimischen Acts vermutlich deren jeweils erstes Konzert der vermeintlichen Festivalsaison vor maximal 1250 Menschen. Bühne gibt es nur eine.

Das sieht freilich ganz anders aus als sonst, wenn die Insel täglich von hunderttausenden Musik- und Bierfreunden gestürmt wird.

Fiebermessen beim Eingang aufs Gelände.
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Schon am Eingang fehlen die typischen Schlangen; Securities, die alle wirken, als hätten sie schon deutlich anstrengendere Arbeitstage gehabt, messen den Besuchern Fieber und kontrollieren die Tickets, die über mehrere Kanäle verlost worden waren. Das funktioniert reibungslos, wie sowohl sie als auch einige Besucher bestätigen.

Wo ist die SPÖ?

Nach einem längeren Spaziergang durchs Grüne, bei dem man von keiner Menschenseele gestört wird, gelangt man zur Bühne. Vor ihr stehen Biertische, die jeweils maximal vier Personen Platz bieten. Bereits vorab wird man darüber informiert, wo man sitzen muss. Um 16 Uhr, als Russkaja als erste Band des Tages auftritt, ist wohl ein Drittel der Tische besetzt – bis 18 Uhr läuft der Einlass, dann sollte es hier eigentlich voll sein. Wer aufsteht, um sich Bier oder Essen zu holen (auch hier keine Schlangen), legt brav die Maske an, die Disziplin, mit der die Besucher alle Regeln befolgen, ist respekteinflößend. Vorteile hat das Ganze schon: "Endlich sehen wir mal auf die Bühne", freut sich eine junge Besucherin.

Plätze sind noch frei am frühen Abend. Vierergruppen teilen sich einen Tisch.
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Auf die mangelnde Atmosphäre angesprochen, wird man fast gerügt: "Sudern bringt nix!", sagt der 29-jährige Andreas, der noch Restkarten ergattern konnte, "Im Rahmen der Möglichkeiten haben sie das wirklich gut gemacht." "Sie" ist nicht zuletzt auch die SPÖ, Veranstalterin des Donauinselfests, die zumindest auf der Bildebene durch Abwesenheit glänzt. Zwar ist das Areal mit Plakaten der Hauptsponsoren zugepflastert, dass bald Wien-Wahl ansteht, würde man hier nicht merken. Kein einziges SPÖ-Plakat, keine Goodies.

Stimmung den Umständen entsprechend gut

Kritik muss man mit der Lupe suchen. Zwei Teenies monieren das Line-Up, das Corona-bedingt nur aus heimischen Acts besteht, und den mangelnden Flair, freuen sich aber trotzdem wie Schneeköniginnen hier zu sein. Ein Herr findet es schade, dass nur so wenige Besucher gekommen sind, vor allem "da sie sich ja sonst so aufführen". Er vermutet, die Tickets zu gewinnen, habe dann doch einige überrascht.

Abgespecktes Donauinselfest.
ORF

Selbst hat der Opus-Fan vor einer Woche von seinem Glück erfahren. Gegen 18 Uhr ist noch immer rund ein Drittel der Plätze unbesetzt, Popstern Mathea hat die Bühne erklommen. Für ein Sitzkonzert ist die Stimmung nicht schlecht. Die Leute, die gekommen sind, versuchen das Beste draus zu machen und freuen sich über das Gratis-Angebot. Etwas trist schaut das Ganze natürlich schon aus: es inselt mehr als es menschelt, aber dafür kann niemand etwas. Wie schon Opus sagten: Life is Life. (Amira Ben Saoud, 19.9.2020)

Platz war genug.
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