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Der US-Präsident kündigte an: "Es wird eine Frau sein".

Foto: REUTERS/TOM BRENNER

Washington – US-Präsident Donald Trump will voraussichtlich kommende Woche einen Vorschlag für die Nachfolge der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg machen. "Es wird eine Frau sein", kündigte Trump bei einem Wahlkampfauftritt im US-Staat North Carolina an.

Der Tod der liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg könnte nach Darstellung von Experten dem US-Wahlkampf eine komplett neue Richtung geben. Nun gehe es für beide Seiten nicht mehr nur darum, ob der Demokrat Joe Biden Präsident Donald Trump aus dem Weißen Haus vertreibt und dessen Republikaner vielleicht im Senat die Mehrheit verlieren.

Richtungsweisende Themen

Mit einer Neubesetzung des Postens am Supreme Court stünden plötzlich grundsätzlichere Fragen wie Bürgerrechte, Einwanderung, Abtreibung und das Gesundheitssystem im Raum. Dies könne im restlichen Wahlkampf sogar die Coronavirus-Pandemie und die angeschlagene US-Wirtschaft als Kernthemen verdrängen.

"Die größte Folge für beide Seiten ist dass damit ein neuer Schwerpunkt entsteht", erklärt der demokratische Stratege Joel Payne, der 2016 für die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton arbeitete. "Jede Woche, in der Trump nicht über das Coronavirus reden muss, ist unter dem Strich für ihn positiv." Republikanische Wähler neigten dazu, dem Obersten Gericht eine große Bedeutung beizumessen. Unter Anspielung auf den linken Flügel der Demokraten sagt Payne jedoch weiter: "Ich glaube, die Progressiven verstehen besser als jemals zuvor, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht."

Die Richter am Obersten Gericht der USA werden vom Präsidenten vorgeschlagen, vom Senat bestätigt und auf Lebenszeit ernannt. Die Republikaner halten im Senat die Mehrheit mit 53 der 100 Stimmen. Er würde es vorziehen, dass die Kammer noch vor der Präsidentenwahl am 3. November abstimmt, sagte Trump.

Schlüsselpersonalie

Unklar ist, ob auch eine Mehrheit für die schnelle Neubesetzung des vakanten Richterpostens am Supreme Court zustande kommt. Denn zwischen den politischen Lagern ist heftig umstritten, ob die Republikaner so kurz vor dem Ende der aktuellen Amtszeit Trumps noch über die Schlüsselpersonalie entscheiden sollten.

Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei umstrittenen Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Es hat neun Richter – und nach dem Tod von Ginsburg werden nur noch drei klar dem liberalen Lager zugerechnet, alle anderen gelten als mehr oder minder konservativ. Da die Spitzenjuristen auf Lebenszeit ernannt sind, könnten Trump und die Republikaner durch schnelles Handeln die konservative Mehrheit im Supreme Court auf Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte festigen.

Blockade im Wahljahr 2016

Die Demokraten hatten deshalb dazu aufgerufen, mit einer Nominierung bis zur nächsten Präsidentenamtszeit zu warten, die am 20. Jänner 2021 beginnt. Sie hoffen auf einen Wahlsieg ihres Präsidentschaftskandidaten Joe Biden – und verweisen darauf, dass die Republikaner im Senat vor vier Jahren mit einem Verweis auf das damalige Wahljahr einen Kandidaten des scheidenden Präsidenten Barack Obama blockierten.

"Wenn mich jetzt jemand fragen würde, würde ich sagen, dass eine Frau an erster Stelle steht", sagte Trump. Nach Ginsburgs Tod gehören dem neunköpfigen Richtergremium am Obersten Gerichtshof nur noch zwei Frauen an: Elena Kagan und Sonia Sotomayor, die beide in der Vergangenheit vom damaligen Präsidenten Obama ernannt worden waren.

Vergangene Woche hatte Trump bereits eine Liste mit 20 möglichen Kandidaten vorgelegt – alle zutiefst konservativ. Am Samstag nannte der US-Präsident zwei Bundesrichterinnen, Amy Coney Barrett und Barbara Lagoa. Sie würden beide "sehr respektiert", sagte der Republikaner. Neben anderen Medien berichtete der Fernsehsender ABC unter Berufung auf Regierunsgkreise, Barrett hätte die besten Chancen. Sie ist als klare Abtreibungsgegnerin bekannt. (red, APA, 20.9.2020)