Der Herbst zieht ins Land. Die Tage werden kürzer, die Abende kühler, die Einsamkeit spürbarer.

Foto: Regine Hendrich

Die Tage werden wieder spürbar kürzer, die Abende spürbar kühler. Diese sich scheinheilig einschleichende Kälte kündigt das noch längere Dunkel an und noch mehr Einsamkeit. Der Winter mag üblicherweise die Zeit des Rückzugs sein, ein Corona-Winter ist jedoch ein noch nicht erforschtes Land, an dessen Küste man zaghaft den Fuß setzt.

Die Umarmungen, die schon im Frühling fehlten, werden auch jetzt fehlen. Das Gesellige, das sich im Sommer an der frischen Luft abgespielt hat, wird sich bald an der sehr, sehr frischen Luft abspielen. Die Zusammenkünfte mit Glühwein und Apfelkuchen könnten zum Dinner for one werden. Theater, Kino, Konzerte – über allem hängt das Damoklesschwert der Absage und des Gefahrenmoments.

Naiv und unbefangen

Es sind keine schönen Aussichten, mit denen man ins beginnende letzte Viertel des Jahres startet. Wie naiv und unbefangen scheint im Rückblick das vorangegangene Silvester, die Ballsaison, die langen durchgefeierten Clubwochenenden! Wie großzügig und reichhaltig die kulturellen und sozialen Angebote! Was lag man sich blöd und lachend in den Armen, ohne die Einzigartigkeit und das Glück des Momentes zu erkennen!

Vielleicht gilt für den gefürchteten Corona-Winter dasselbe wie für das ganze übrige Leben: Man schätze den Augenblick und wage, ihn zu genießen. Man weiß schließlich nie, was danach kommt. (Julya Rabinowich, 20.9.2020)