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Gut die Hälfte der Menschen in der Flüchtlingsunterkunft in Moria sind Frauen und Kinder.

Foto: Reuters / Yara Nardi

Lesbos/Berlin – Die akute Krise der obdachlos gewordenen Migranten auf der griechischen Insel Lesbos ist nach Aussagen des stellvertretenden Migrationsministers Notis Mitarakis erst einmal vorbei. "Wir haben die erste Phase der Bewältigung der Moria-Krise abgeschlossen", sagte er am Sonntag dem griechischen Fernsehsender Skai.

Die neue Struktur funktioniere, sagte er über das kurzfristig errichtete Zeltlager für die rund 12.000 Menschen, die nach dem Großbrand des Flüchtlingslagers Moria obdachlos geworden waren. Rund 10.000 Menschen haben Mitarakis zufolge das Lager bei Kara Tepe an der Ostküste der Insel mittlerweile bezogen. Wo sich die restlichen 2.000 Menschen aufhalten, sagte er nicht. Einige Migranten wollen das neue Lager nicht beziehen – aus Angst, es nicht mehr verlassen zu dürfen. Sie wurden von der Polizei bisher auch nicht aufgefunden.

213 Corona-Infizierte

Im Zeltlager seien die Menschen alle registriert worden, damit ihre Asylverfahren weiterlaufen könnten, berichtete die griechische Nachrichten-Agentur ANA-MPA am Samstag. Außerdem seien sie bei ihrem Einzug in das Camp auf das Coronavirus getestet worden, bisher seien die Tests bei 213 Menschen positiv ausgefallen. Die Infizierten würden in einem abgetrennten Teil des Lagers isoliert.

Die Straßen, auf denen obdachlos gewordene Menschen seit dem Großbrand gelebt hatten, seien wieder frei für den Verkehr, berichtete das Insel-Onlineportal "Sto Nisi". Ab Montag würden auch die umliegenden Geschäfte wieder aufsperren, die in den vergangenen Tagen geschlossen waren. Die Behörden seien mit der Reinigung und Desinfektion der Straßen beschäftigt. Die griechische Regierung versprach Entschädigung für jene Bürger, deren Olivenhaine beim Brand in Flammen aufgegangen waren und auch jene, die wegen des anschließenden Chaos nicht arbeiten konnten, weil Straßen und Geschäfte geschlossen waren.

Hälfte der Lagerbewohner Frauen und Kinder

Die Migranten waren nach dem Brand im Lager Moria vom 8. auf den 9. September obdachlos geworden und mussten buchstäblich auf der Straße und in umliegenden Olivenhainen schlafen – ohne jegliche Infrastruktur wie fließendes Wasser und Toiletten. Am Donnerstag hatte die Polizei begonnen, die Menschen in das neue Zeltlager zu eskortieren.

Das völlig überfüllte Registrierlager Moria war vor dem Brand wegen Corona fast vollständig zugesperrt worden – von den 12.000 Migranten, gut die Hälfte von ihnen Frauen und Kinder, durften täglich nur rund 100 das Lager für wichtige Behördengänge oder Arzttermine verlassen. Viele warteten dort bereits seit Monaten oder sogar länger als ein Jahr auf ihren Asylentscheid. Andere hielten sich mit abgelehnten Asylanträgen in dem Lager auf.

Rückkehr in die Türkei möglich

Wegen der desolaten Situation gab es in Moria in den vergangenen Jahren immer wieder Unruhen, Aufstände und Brandstiftungen. Auch diesmal wurde das Feuer mutmaßlich von Migranten verursacht, die bei starkem Wind zeitgleich an verschiedenen Stellen Brände entfacht haben sollen. Sechs Männer wurden deshalb festgenommen; vier der mutmaßlichen Brandstifter im Alter von 19 und 20 sollen sich am Samstag auf Lesbos einer ersten Anhörung gestellt haben, zwei weitere verdächtige 17-Jährige sollen am Montag gehört werden.

Die Migranten auf Lesbos fordern, ganz von der Insel gebracht zu werden. Dies unterstützen auch humanitäre Organisationen. Athen hält sich aber an das Abkommen der EU mit der Türkei vom Jahr 2016. Demnach müssen alle Migranten auf den Inseln bleiben, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Wer kein Asyl bekommt, muss in die Türkei zurück. Mit Verweis auf die Corona-Pandemie nimmt die Türkei aber seit Monaten keine Migranten mit abgelehnten Asylanträgen mehr zurück.

An den Demonstrationen in Deutschland waren mehrere Organisationen beteiligt.
Foto: AFP / Stefanie Loos

Tausende demonstrieren in Deutschland für Flüchtlingsaufnahme

Unterdessen demonstrierten am Sonntag in Berlin und anderen deutschen Städten Tausende gegen den Umgang mit den Flüchtlingen in Griechenland und für deren Aufnahme in Deutschland. In Berlin versammelten sich nach Polizeiangaben einige tausend Demonstranten, auch in Köln und München waren Demonstrationen angemeldet. Die Proteste standen unter dem Motto: "Es reicht! Wir haben Platz!"

"Es ist beschämend, dass wir ausgerechnet heute am Weltkindertag zusehen müssen, wie tausende Kinder in Dreck und Elend ausharren", erklärte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Er warf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, in ihrer Rolle als Hüterin der Europäischen Verträge zu versagen. "Griechenland begeht einen permanenten Rechtsbruch und missachtet elementare Rechte." Tausenden Schutzsuchenden werde eine menschenwürdige Aufnahme und der Zugang zum Recht auf Asyl behördlich verweigert.

Demonstration auch in Innsbruck

An den Protesten beteiligen sich auch zahlreiche weitere Initiativen, darunter die Organisationen Seebrücke, Fridays for Future und die evangelische Kirche. Das Bündnis forderte die deutsche Bundesregierung auf, alle Flüchtlinge aus dem zerstörten griechischen Flüchtlingslager Moria aufzunehmen.

Die Asylpolitik der deutschen Bundesregierung und der EU kritisierten die Organisationen scharf. Parallel sollte es ähnliche Proteste in anderen europäischen Städten von Lissabon bis Stockholm geben. In Innsbruck haben am Freitag etwa 500 Menschen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria demonstriert. (APA, red, 20.9.2020)