Beim Corona-Management ist die Bundesregierung nicht immer ein Herz und eine Seele.

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Am Anfang war das Wort "gemeinsam". Doch der Strang, an dem die Politik geschlossen gegen die Corona-Pandemie zog, ist inzwischen zerrissen. Mit wieder steigenden Infektionszahlen wächst nicht nur die Kritik der Opposition an Maßnahmen der Regierung, auch – mit dem Wiener Wahlkampf gewürzte – Einzelgänge der Koalitionspartner häufen sich. Dazu kommen wechselseitige Vorwürfe zwischen Bund und Bundesländern.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ortet wegen langer Wartezeiten bei den Corona-Tests Versäumnisse in manchen Bundesländern. Zwar hätten viele Behörden Personal aufgestockt, sagte er am Wochenende in der Ö1-Interviewreihe Journal zu Gast. In Wien müsse aber dafür "massiv Geld in die Hand genommen werden". Wien hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, das Personal für Tests und Contact-Tracing um 1.000 Mitarbeiter aufzustocken.

"Ein schwerer Fehler"

Dass die Regierung zu spät auf die steigenden Zahlen reagiert hätte, weist Anschober zurück. Allerdings sei es ein "schwerer Fehler", wenn etwa nach einem Anruf bei der Corona-Hotline Tester erst nach Tagen kämen und Ergebnisse lange ausständig seien. Eine medizinische Hotline könne immer nur so gut sein, wie sie ausreichend Personal habe.

Reaktion der Neos: "Anschober hat im Sommer verabsäumt, einen Plan für den Herbst vorzubereiten sowie eine ordentliche Teststrategie auf die Beine zu stellen. Das kann der Minister nicht auf die Bundesländer allein abschieben." Auch die SPÖ reagierte harsch: "Sich nach der schwarz-grünen Pannenserie jetzt auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsbehörden abzuputzen ist schäbig und bringt uns nicht weiter."

Breitseite von Kurz

Eine unerwartete Breitseite gegen Anschober feuerte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Wochenende ab. Er habe schon früher auf das neuerliche Ansteigen der Coronavirus-Infektionen reagieren wollen: "Es stimmt, dass ich schon seit Ende des Sommers die Maßnahmen verschärfen wollte", zitierte Österreich den Bundeskanzler. Dies sei aber nicht seine alleinige Entscheidung gewesen, verwies er offensichtlich auf Meinungsunterschiede mit den Grünen.

Die Pandemie und der politische Umgang damit werden auch beim ersten regulären Nationalratsplenum nach der Sommerpause am Mittwoch im Mittelpunkt stehen, wie eine Vorschau der Austria Presse Agentur zeigt. Unter anderem soll die Ampel gesetzlich determiniert und Betretungsverbote genauer definiert werden. Ob die Stellungnahmen zum vorgelegten Gesetzesentwurf und ein Expertenhearing im Gesundheitsausschuss am Montag noch Wesentliches ändern, ist unklar. Neben dem Ampelsystem soll festgelegt werden, welche Art von Betretungsverboten es geben kann, wobei der private Wohnbereich ausgenommen ist. Zudem wird den Behörden in den Ländern die Möglichkeit gegeben, eigene strengere Regeln zu erlassen, als sie bundesweit gelten.

Blockiert der Bundesrat?

Am Sonntag war noch unklar, ob die SPÖ den Gesetzen zustimmen wird, bei der FPÖ ist das auszuschließen. Gehen auch die Sozialdemokraten nicht mit, wird das Gesetzeswerk wohl fürs Erste am 29. September im Bundesrat scheitern. Dann wird aber die Koalition einige Tage später bei einer weiteren Nationalratssitzung das Paket wohl per Beharrungsschluss durchsetzen. Dieses Prozedere hat in der laufenden Regierungsperiode beinahe schon Tradition.

Weniger kontroversiell ist mit Sicherheit der Gesetzesbeschluss, der die Sonderbetreuungszeit bis Februar verlängert. Diese ermöglicht es bei Zustimmung des Arbeitgebers, zusätzlich zum Pflegeurlaub gesamt drei Wochen der Arbeit fernzubleiben, wenn es aus Betreuungsgründen notwendig ist, also etwa wenn Kindergärten geschlossen werden. Der Staat übernimmt künftig nicht nur ein Drittel, sondern die Hälfte der Lohnkosten.

Eine Erleichterung will der Nationalrat Kreditnehmern ermöglichen: Der Fälligkeitstermin zur Rückzahlung wird von Ende Oktober auf Ende Jänner verschoben. Bis Ende März verlängert wird die Möglichkeit der Kurzarbeit für Lehrlinge.

Künstlerfonds wird aufgestockt

Der Fonds zur Förderung der Sozialversicherungsbeiträge von selbstständigen Künstlern, um Ausfälle wegen der Corona-Krise zu mildern, wird um weitere fünf Millionen aufgestockt. Aufdotiert wird auch der Corona-Familienhärtefonds, und zwar von 60 auf 100 Millionen. Schließlich gibt es vor allem für Studenten noch Erfreuliches. Die Zuverdienstgrenze beim Familienbeihilfebezug wird von 10.000 auf 15.000 Euro erhöht.

Abspielen wird sich das alles in einem wieder geänderten Ambiente. Erstmals seit langem sitzen wieder alle Mandatare auf ihren Plätzen. Möglich machen das neue gläserne Trennwände zwischen den Abgeordneten, wie man sie aus Talkshows kennt. (simo, 20.9.2020)