Nach über zehn Jahren Forschung und Entwicklung steht ein großer Schritt für eine laut den verantwortlichen Wissenschaftlern "revolutionäre" Erfindung an. Ein bionisches Auge, erarbeitet von der australischen Monash University, steht kurz vor seinen klinischen Tests. Es soll vielen Blinden wieder eine Sehwahrnehmung ermöglichen.

Prozessor übersetzt Bildsignal

Die vom "Cortical Frontiers"-Projekt entwickelte Sehhilfe namens "Gennaris" kombiniert eine Kamera mit einem spezialisierten Prozessor und einem Gehirnimplantat. Das Aufnahmegerät wird am Kopf getragen und die empfangenen Bildsignale drahtlos an den Rechenchip übertragen, der in einem mitgeführten Gerät steckt, das circa die Größe eines Smartphones hat.

Die Implantate am Gehirn stimulieren das Sehzentrum mit elektrischen Signalen.
Foto: Monash University

Dort filtern Software und Hardware die potenziell nützlichsten Informationen aus der Aufnahme und schicken diese an das Implantat, das seinerseits aus mehreren 9 mal 9 Millimeter großen Einzelteilen besteht. Diese machen aus den Informationen elektrische Signale, mit denen über hauchdünne Drähte das Sehzentrum des Gehirns stimuliert wird.

Daraus entsteht dann ein aus bis zu 172 Lichtpunkten bestehendes Sichtfeld. Farben und Details lassen sich darüber zwar nicht sehen, doch die Träger können auf diese Weise erkennen, wenn sich Personen in ihrer Nähe befinden oder Objekte im Weg stehen, was die Fortbewegung im Alltag erleichtert.

Ein Video zu "Gennaris" aus 2017.
Monash Engineering

Vielversprechende Tests

In vorklinischen Studien lieferte das bionische Auge bereits vielversprechende Ergebnisse. Probanden wurden zehn Implantatteile eingepflanzt, wovon sieben zur Übertragung der elektrischen Signale an das Gehirn genutzt wurden. Nach mehr als 2700 Stunden – oder rund 113 Tagen – an Stimulation konnte man bislang keine schädlichen Gesundheitsfolgen entdecken. Untersucht wurde unter anderem auf Gewebeschäden, Einflüsse auf das Verhalten oder unbeabsichtigte Folgen der elektrischen Stimulation, etwa Krampfanfälle.

Foto: Monash University

Die Erfindung kann besonders Menschen helfen, die aufgrund eines beschädigten Sehnervs erblindet sind, da das System diesen umgeht. Die Technologie lässt sich aber nicht nur hier einsetzen. Man arbeitet auch daran, Personen mit Querschnittslähmung wieder zu ermöglichen, ihre Arme zu bewegen.

Verlaufen die klinischen Tests erfolgreich, so soll Gennaris zur kommerziellen Reife entwickelt werden, wobei man zusätzliche Geldmittel sucht, um die Produktion aufziehen zu können. Zuletzt erhielt das Projekt etwas mehr als eine Million australische Dollar (rund 620.000 Euro) aus einem Zukunftsfonds des Gesundheitsministeriums. Weitere Förderungen könnten noch heuer beschlossen werden. (gpi, 21.09.2020)