Wolfgang Bachmayer (links) hat 800 Menschen befragt, Innenminister Nehammer und Frauenministerin Raab präsentierten die Ergebnisse seiner Studie.

foto: apa/hochmuth

Wien – Es werde zu einem starken Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt kommen – so lautete die Befürchtung, als im März der Corona-Lockdown begann. Nun, ein halbes Jahr später, liegen Zahlen über die tatsächliche Entwicklung vor. Sie widersprechen den damaligen Prognosen.

Konkret haben laut einer von Innenminister Karl Nehammer und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) am Montag vorgestellten Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut OGM vier Prozent der Interviewten während des Lockdowns mehr private Gewalttaten in ihrem Umfeld wahrgenommen.

"Spannungen und Konflikte"

30 Prozent bemerkten "mehr Spannungen und Konflikte" im häuslichen Bereich, die meisten stellten diesbezüglich keinerlei Veränderungen fest.

Der Meinung hingegen, dass es unter den Einschränkungen mehr häusliche Gewalt gegeben habe – ohne selber solche Übergriffe wahrgenommen zu haben –, waren beträchtlich mehr der insgesamt 800 Befragten. 56 Prozent teilten diese Ansicht, erläuterte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer bei der Pressekonferenz: "Das Meinungsbild hebt sich sehr von den tatsächlichen Beobachtungen ab", sagte er.

Mehr Betretungs- und Annäherungsverbote

Die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote wiederum, die von einschreitenden Polizistinnen und Polizisten ausgesprochen werden können, um Gewalttäter aus ihrem privaten Umfeld zu entfernen und so die Opfer zu schützen, stieg österreichweit von 886 im Februar auf 1.081 im Lockdown-Monat April.

In den darauffolgenden Monaten pendelte sie sich in etwa auf diesem leicht erhöhten Niveau ein. Im Juli gab es 1.085, im August 1.055, bis Mitte September 507 derartige Distanzauflagen für gewalttätige Personen – in den allermeisten Fällen Männer, die Frauen und Kinder misshandelt haben.

"Relativ gut durch Krise gekommen"

"Jeder einzelne Gewaltakt ist einer zu viel, und auch die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein. Doch insgesamt ist Österreich hier relativ gut durch die Krise gekommen", kommentierte das Frauenministerin Raab.

Der Anti-Gewalt-Beratungsbedarf hingegen habe sich durch die Ausgangsbeschränkungen und familiären Mehrfachbelastungen durch Homeschooling und Homeoffice stark erhöht. Die Frauenhelpline unter den Nummer 0800 222 555 habe seit Lockdown-Beginn um 38 Prozent mehr Anrufe registriert, beim neuen Helpchat unter haltdergewalt.at seien seither rund 900 Anfragen eingegangen.

Polizei gewann sehr an Vertrauen

Innenminister Nehammer lobte die Arbeit der Polizei, die laut OGM-Daten in der Lockdown-Zeit in der Bevölkerung einen immensen Vertrauensgewinn verzeichnete. Vor Corona hatten 44 Prozent der österreichischen Bevölkerung die Exekutive als wichtig und verlässlich wertgeschätzt – unmittelbar nach dem Lockdown waren es laut dem von OGM und APA regelmäßig erstellten Vertrauensindex 70 Prozent. "Dieser hohe Wert wird aber nicht einfach zu halten sein", kommentierte OGM-Leiter Bachmayer. (Irene Brickner, 21.9.2020)