Nicht jeder Lehrstellensuchende findet einen Ausbildungbetrieb, überbetriebliche Lehrwerkstätten könnten Abhilfe leisten.

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Das "Dilemma Lehre" ist beileibe keine Auswirkung von Corona, sondern ein Teufelskreis, der uns seit zwanzig Jahren begleitet: Die Zahl der Lehrbetriebe sinkt stetig – dem Vernehmen nach, weil die Firmen Probleme haben, die "Richtigen" zu finden: "Ich kann ja nicht reparieren, was in der Schule versäumt wurde", ist oft der Grund, warum ein Betrieb der Lehre Adieu sagt. Unter jungen Menschen gilt die Lehre immer weniger als erstrebenswerte Ausbildung, sondern als Notnagel für jene mit schulischen Defiziten. Das führt dazu, dass die vermeintlich "Richtigen" lieber auf Biegen und Brechen einen Schulabschluss anstreben. Durch den aus dieser Gesamtentwicklung resultierenden Lehrbetriebsrückgang können immer weniger Berufsbilder abgedeckt werden. Und die Spirale beginnt sich von vorne zu drehen…

Franz-Josef Lackinger ist Geschäftsführer des Bfi Wien.
Sebastian Kaczor

Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist kein Abgesang auf die duale Ausbildung. Vielmehr soll es unserem Wunsch nach einer Erweiterung und Modernisierung dieses Systems und einer politischen Intervention Nachdruck verleihen. Es ist nicht mit einer Lehrplatzförderung getan, die kaum Anreize für Lehrlinge oder neue Lehrbetriebe bringt. Auch eine Modernisierung der Lehrberufe löst nicht das Strukturproblem.

Hilfe für kleine Betriebe

Einige wenige große Player, die dankenswerterweise eigene Lehrakademien haben, können sich den "Luxus" leisten, Personen abzustellen, die den jungen Menschen nicht nur das Handwerk, sondern auch Sozial-, Wirtschafts- oder Digitalisierungskompetenzen vermitteln. Sie können neue Lehrverordnungen rasch umsetzen, freuen sich vielleicht über die 2000 Euro zusätzlich pro Lehrling und bilden so oder anders aus.

Jene Betriebe, die zwar ausbilden möchten, aber weder die Ressourcen noch die pädagogischen Kompetenzen haben, werden mit diesen Schritten kaum glücklich. Gerade für jene bedarf es einer Lösung. Und bei genauerer Betrachtung gibt es sie seit 20 Jahren – sie wird nur falsch wahrgenommen. Die überbetriebliche Lehre! Als "Auffangnetz für die Schwachen" installiert, hat sie sich zur großartigen Alternative für Betriebe und Lehrlinge gleichermaßen gemausert. Hunderte top-qualifizierte Absolventen im Jahr werden mit Handkuss übernommen. Viele wechseln schon während der Lehrzeit und haben etliche Firmen erst zum stolzen Lehrbetrieb gemacht. Und unzählige Jugendliche entdeckten so erst ihre Liebe und ihr Talent für ein Handwerk.

Problem gelöst? Mitnichten. Die obigen Ergebnisse sind nur durch viel "Klinkenputzen" und Vorurteilsabbau gegenüber der überbetrieblichen Lehre möglich. Dabei ginge durch eine Flexibilisierung und Modularisierung der Lehre in Form eines "trialen Systems" noch viel mehr: Die duale Ausbildung im klassischen System für all jene, die ohnehin ausbilden. Eine überbetriebliche Lehre, die auf Standardisierte Weise den Betrieben als modularer Sparringpartner für Teile – oder auch das Gros – der Ausbildung zur Seite steht. Und zu guter Letzt ein Sprungbrett für jene, die nicht direkt von der Schule weg an Firmen vermittelt werden können und erst "lehrfit" gemacht werden müssen.

Das klingt nicht nach Raketenwissenschaft. Ist es auch nicht. Die Puzzleteile liegen auf dem Tisch. Sie müssen nur in Standardisierter und für alle umsetzbarer Form zum Gesamtbild "Lehre" zusammengesetzt werden. (Franz-Josef Lackinger, 23.9.2020)