In Berlin konnte man es mitansehen: Da ging kürzlich die Art Week mitsamt ihrer Kunstmesse erfolgreich über die Bühne. Man sprach von einem kunsthungrigen Publikum, das sich an der "Kunstexplosion" labte und stundenlange Wartezeiten in Kauf nahm. Trotz Abstands und beschränkter Besucherzahlen vermeldeten Galerien Abschlüsse, sogar internationale Sammler waren vereinzelt gekommen.

In der Marx-Halle wird es heuer noch luftiger werden: Waren es vergangenes Jahr noch 110 Teilnehmer, sind es heuer 62 bei der Vienna Contemporary.
Foto: Vienna Contemporary

Ein Grund, optimistisch zu sein, finden doch diese Woche die Kunstmessen in Wien statt. Die Parallel Vienna startet am Dienstag, und die Vienna Contemporary folgt am Donnerstag. Trotz sich ständig ändernder Maßnahmen und der Ampelstufe Orange blieben die Veranstalter standhaft.

Und das, obwohl internationale Kunstmessen großteils abgesagt oder verschoben wurden. Die Gründe sind nachvollziehbar: Kaufkräftiges Publikum, internationale Sammler und Galerien können nur erschwert oder gar nicht anreisen. Zusätzlich hatten sich im Frühjahr einige Kunstmessen zu fatalen Virenschleudern entwickelt. Doch müsste das nicht auch in Wien Sorgen bereiten? Immerhin wird aufgrund der Reisewarnung für die Stadt nur mit der Hälfte der üblichen Besucherzahl gerechnet.

Regional statt international

"Der Fokus auf Europa ist jetzt unsere Stärke", sagt die künstlerische Direktorin der Vienna Contemporary, Johanna Chromik. Es sei von Vorteil, dass die Messe nicht so stark international ausgerichtet ist, sondern eher regional. Dennoch fehlen viele osteuropäische Galerien, die ein wichtiges Charakteristikum der Messe sind. Normalerweise machen diese gemeinsam mit den heimischen zwei Drittel aus. Dieses Jahr stammt mehr als die Hälfte aus Österreich.

Zwischen den Kojen in der Marx Halle wird es also luftig: Anstatt 110 Galerien aus 26 Ländern sind es heuer nur rund 62 aus 16 Nationen. Laufend gibt es neue Absagen. Um jene Teilnehmer, die nicht einreisen können, zu unterstützen, kooperieren nun heimische mit deutschen oder ungarischen Galerien und betreuen deren Stände mit. Vielleicht eine nachhaltige Lösung für die Zukunft dieser Mega-Events?

Sekt gibt’s nur im Sitzen

"Mega" wird dieses Jahr aber definitiv nichts: Veranstaltungen gibt es nur im kleinen Format. "Möchte man ein Glas Sekt trinken, muss man sich hinsetzen", so Chromik. Ein Konzept umfasst Maskenpflicht, Time-Slots zu je drei Stunden, lässt maximal 2.500 Besucher zugleich in die Halle, und das Online-Angebot samt "Sofortkauf"-Button wurde ausgebaut. Die Veranstalter zeigen sich motiviert und möchten – trotz Bedenken – ein Zeichen setzen.

Bedenken wurden im Vorfeld seitens einiger Galerien geäußert, die das zu wenig visionäre Konzept sowie die zu hohen Standkosten der Messe kritisierten. Dafür sei das finanzielle Risiko dieses Jahr zu hoch, hieß es. Zwar gab es nach Verhandlungen einen Rabatt von 5o Prozent, dennoch sprangen 16 Galerien ab, darunter auch große wie König, Senn oder Janda. Martin Janda, der auch Vorsitzender des Galerienverbandes ist, meint dazu: "Ich habe gehofft, dass die Messe auf nächstes Jahr verschoben wird."

Das Risiko der einen könnte aber vielleicht die Chance der anderen sein. Ein neues System ermöglicht es jungen Galerien, weniger zu zahlen. Auch die günstigere Sonderzone "Zone 1" ist fast genauso voll wie im Vorjahr. Ein Lichtblick in dem doch verschlankten Programm.

Wie Urlaub daheim

Etwas anders sieht es bei der alternativen Parallel Vienna aus: Einige der bei der großen Schwester abgesprungenen Galerien findet man auf der dortigen Teilnehmerliste. Im Vergleich zum Vorjahr wirkt diese zwar auch dünner, aber nicht allzu schlimm geschrumpft. Insgesamt sind etwa 130 Galerien, Projekträume und Einzelprojekte vertreten.

Sogar Neue seien dazugekommen, erzählt der künstlerische Leiter Stefan Bidner. Er pocht auf die aktuelle Dringlichkeit des Kunst-Events. Der Wille seitens der Teilnehmer sei groß. Außerdem kämen die meisten ohnedies aus Wien: "Ein bisschen wie Urlaub im eigenen Land", prophezeit er für den Besuch.

Keine Labyrinthe

Von den Covid-19-Maßnahmen her sind die Messen ähnlich organisiert. In die neue Location der Parallel im Alten Gewerbehaus am Rudolf-Sallinger Platz dürfen zeitgleich etwa 300 Personen. Die kleineren Räume dürfen immer nur von einer beschränkten Besucheranzahl betreten werden. Das achtstöckige Haus sei aber besucherfreundlicher als letztes Jahr. "Es wird keine Labyrinthe geben", verspricht Bidner.

In zwei Time-Slots kann die Messe zwischen 12 und 19 Uhr besucht werden, Veranstaltungen wird es zwar geben, allerdings sehr reduziert. Kaum vorstellbar, aber die Zeit der großen Parallel-Partys scheint vorbei – zumindest in bekanntem Ausmaß. Dafür könne man, wie im Programm zu lesen ist, Cocktails auf der Dachterrasse des ehemaligen WKO-Gebäudes zu sich nehmen. Die Kunst aber stehe jetzt im Fokus.

Trotz allem: Ein Haus in Simmering

Ein Trend, der sich auch bei einem Ausstellungsformat erkennen lässt, das trotz der aktuellen Situation erstmals stattfindet. Unter dem Titel "Haus Wien" möchte sich das Satellitenprojekt ebenfalls jährlich zeitgleich zu den Messen etablieren. Von der Wirtschaftsagentur mit einem Preis gefördert und von einem jungen Kollektiv gegründet, soll hier zeitgenössische Kunst gefördert werden.

Ähnlich einer Mini-Parallel findet das Ganze in einem leerstehenden Haus in Simmering statt. Im Kontrast zu den Messen verfolgt Haus Wien aber keinen kommerziellen Ansatz: Weder die Teilnehmer noch das Publikum zahlt. Es gibt eine strenge Hausordnung und keine Partys: Allein die Inhalte zählen. (Katharina Rustler, 22.9.2020)