Der Umgang mit Corona an den Schulen verläuft oft alles andere als reibungslos.

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Wien – Die Kindernase rinnt bereits am frühen Morgen. Vergangenen Herbst hätten selbst fürsorgliche Eltern das mit einem lapidaren "Wird schon wieder" abgetan und die Jausenbox in der Schultasche verstaut. Heute sorgt die Szene in vielen Haushalten für Schweißausbrüche. Verwehrt die Schule den Eintritt? Sind die Pflegeurlaubstage bereits verbraucht? Wer übernimmt die Betreuung?

Die Schule ist in diesen viralen Tagen zum Unsicherheitsfaktor für viele geworden. Berichte zeugen von vielerlei Maß an den Standorten: In der einen Schule gilt ein Schnupfen nicht als Grund für einen Aufnahmestopp, in der anderen ein paar Straßen weiter sehr wohl – und für besonders strenge Direktoren reichen schon 37 Grad Körpertemperatur für ein abruptes Ende eines Schultages. Eltern berichten von unerträglichen Situationen in völlig überfüllten Schulbussen. Für die anstehenden Erstkommunionsfeiern kommen teilweise im Wochenrhythmus neue Änderungen: Ortswechsel, Einschränkung auf nur sieben Begleitpersonen, dann doch nur ein Elternteil.

Was tun bei Corona-Verdacht?

Dazu sorgen die Antworten auf die Gretchenfrage für Verwirrung: Wie damit umgehen, wenn in einer Klasse ein Verdachts- oder Ansteckungsfall auftritt? "Die Schule ist verpflichtet, den Anordnungen der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden Folge zu leisten", lautet dazu Regel Nummer eins des Bildungsministeriums. Doch diese, sagt der sozialdemokratische Pflichtschulgewerkschafter Thomas Bulant, "sind nicht immer erreichbar".

Bulant berichtet von einer Schule in Wien-Favoriten, wo es nach drei Tagen den ersten Corona-Fall gab. Davon erfahren hat die Direktion aber nicht von der Gesundheitsbehörde, sondern von den Eltern des Schülers – kein Einzelfall, wie Bulant sagt: Wenn die Eltern nicht gut genug Deutsch könnten, riefen oft auch Nachbarn an. Sofern es halt irgendwer tut.

Erst nach sehr viel Zeit in der Warteschleife habe die Direktorin jemand Zuständigen im Magistrat erreicht, erzählt Bulant. Er kenne aber auch Kollegen, die seien nie durchgekommen.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) machen gemeinsame Sache im Kampf gegen das Virus.
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Schüler gurgeln in Wien

Zumindest in Wien soll sich das nun ändern. Für Bildungseinrichtungen wird ein mobiler Corona-Dienst gestartet – bestehend aus einem Fahrer, einer Schulärztin oder einem Schularzt und einem Studierenden, der assistiert. Verdachtsfälle sowie Schüler und Lehrer, die Kontakt zum Betroffenen hatten, bekommen einen Gurgeltest. Binnen 24 Stunden ist das Ergebnis da – so das Versprechen von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Dienstag.

Wird die Testung vor elf Uhr Vormittag durchgeführt, soll das Resultat der Schulleitung sogar noch am selben Tag mitgeteilt werden. Die Schule informiert die negativ getesteten Personen, die Gesundheitsbehörde dann die positiven Fälle. In der Hauptstadt stehen ab kommender Woche 600.000 Gurgeltests für die Schulen zur Verfügung. Insgesamt hat Wien rund 240.000 Schüler – Hacker geht deshalb davon aus, dass die ersten Kits für die gesamte Grippezeit ausreichen.

Angebot auch an andere Länder

Etwa 300 Personen könnten durch die mobilen Einheiten pro Tag getestet werden. "Wenn ich sehe, wir müssen aufstocken, dann stocken wir auf", sagt Minister Faßmann. Darüber hinaus wird es einen Bus geben, in dem Tests sofort analysiert werden – hier sollen die Ergebnisse bereits innerhalb einer Stunde feststehen.

Aber warum nur in Wien? Sollten andere Bundesländer Interesse haben, könne Faßmann jederzeit das entsprechende Know-how zur Verfügung stellen, sagt er. "Aber die dortige Gesundheitsbehörde muss aktiv werden." Dem Bundesminister fehle die Kompetenz, um das System eigenmächtig landesweit umzusetzen. Der Wiener Stadtrat Hacker habe sich eben sofort gemeldet.

Das Land ist keine Stadt

In anderen Bundesländern wird nun bereits Interesse bekundet, wie ein STANDARD-Rundruf zeigt. Dem Tiroler Bildungsdirektor Paul Gappmaier gefällt das Modell, wobei er zu bedenken gibt: In Wien sei es einfacher zu organisieren als in Tirol, wo zwischen den einzelnen Schulstandorten bis zu 400 Kilometer lägen. Zumindest für die Ballungszentren wolle man die mobilen Testungen jedoch ernsthaft andenken.

Ähnliches ist aus Salzburg zu hören: "Dieses für die Großstadt Wien zugeschnittene Konzept ist natürlich nicht direkt auf das Bundesland Salzburg und die ländlichen Regionen übertragbar. Wir werden uns das aber ganz genau anschauen", sagt der Salzburger Gesundheitslandesrat Christian Stöckl.

Die niederösterreichische Bildungslandesrätin Christine Teschl-Hofmeister (ÖVP) zeigt sich zurückhaltend: Testungen in dem Bundesland würden "vergleichsweise schnell durchgeführt", sagt Teschl-Hofmeister zum STANDARD. "Derzeit sind wir um die Organisation weitere Testungssysteme für Niederösterreichs Schulen bemüht."

Lob von Neos und SPÖ

Auch Neos und SPÖ begrüßten das Projekt, wobei die Sozialdemokraten Faßmann vorwerfen, die Idee zu spät umgesetzt zu haben. Die FPÖ ortet hingegen "Aktionismus mit Massentests". Der kritische Gewerkschafter Bulant sieht in den schnelleren Tests einen wichtigen Schritt, um tagelange Quarantäne-Abwesenheiten von Schülern und Lehrern zu verhindern. Der Schulstart sei schlecht vorbereitet gewesen – es gelte einiges aufzuholen. (Sebastian Fellner, Gerald John, Katharina Mittelstaedt, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, 22.9.2020)