Eines der ersten Dinge, die Kinder in Kindergärten und Schulen lernen, ist, die Uhr zu lesen. Wir alle kennen sie, richten unsere Leben nach ihr aus, sie ist verständlich. Das war mitunter der Grund dafür, warum das "Bulletin of Atomic Scientists" einst die "Doomsday Clock" herausgebracht hatte. Wenn die USA einen Atomwaffenabrüstungsvertrag nicht verlängern, ist das Ausmaß dieser Aktion zunächst nicht unbedingt jedem klar. Wenn der Minutenzeiger der Weltuntergangsuhr deshalb von fünf Minuten vor zwölf auf drei vor zwölf springt, hat das Signalwirkung. Irgendetwas läuft falsch, irgendetwas sollte sich ändern, irgendwer sollte etwas unternehmen.

Die Initiatoren der Climate Clock wollen keine Endzeitstimmung verbreiten, sie wollen aber aufzeigen, wie viel Zeit uns noch bleibt, um Gesetzesanpassungen und Klimastrategien umzusetzen, um zumindest das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen – bevor unser Kohlendioxidbudget aufgebraucht ist. Dieses Ziel besagt, die CO2-Emissionen so zu drücken, dass sie lediglich zu einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter entsprechen. Schaffen wir das nicht, werden extreme Wetterphänomene wie Dürrekatastrophen, Überschwemmungen oder das schnellere Abschmelzen der Polkappen unweigerlich häufiger auftreten.

Die wichtigste Zahl

Zu diesem Zwecke haben die Künstler Gan Golan und Andrew Boyd die Uhr am Metronom am New Yorker Union Square zweckentfremdet. Bisher zeigte die Uhr jeweils die Zeit von und bis Mitternacht an. Das sorgte bei zahlreichen Besuchern und Einheimischen für Verwirrung. Vom nationalen Schuldenstand über die Fläche des abgeholzten Regenwaldes bis hin zur Weltbevölkerung kamen allerlei Theorien darüber auf, was die Zahl bedeuten könnte.

Mindestens bis zum Ende der Klimawoche ist die Message nun aber relativ klar – in roten Ziffern prangert die Climate Clock über dem Platz, falls es noch mehr Signale der Dringlichkeit bedarf. Etwas mehr als sieben Jahre und 100 Tage (Stand Mittwochfrüh) bleiben der Menschheit, um die drohende Klimakatastrophe abzuwenden. Es handle sich um nichts Geringeres als die "wichtigste Zahl unserer Zeit". "Noch steht die Uhr nicht auf null", sagt Dolan. "Sie sagt uns, dass wir noch Zeit haben, aber wir dürfen diese Zeit nicht vergeuden." Man will die Klima- und Temperaturkurve abflachen.

Rot und Grün

Neben der roten "Deadline" wurde aber auch eine grüne "Lifeline" installiert. Sie ist auch auf der Website der Aktion dargestellt.

Foto: Screenshot Climateclock

Diese zeigt an, wie viel Prozent des globalen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Aktueller Stand: 27,7 Prozent. Benötigtes Ziel: 100 Prozent. "Unser Planet hat eine Deadline, aber wir haben auch eine Lifeline", so die Idee der Künstler. Die Hauptinspiration war nach Aussagen Boyds die Geburt seiner Tochter vor knapp zwei Jahren. Wenige Tage darauf habe der Weltklimarat IPCC die verheerenden Folgen des Klimawandels für die Lebensumstände auf der Erde präsentiert. Da musste er handeln.

Beautiful Trouble: Toolbox for Revolution

Die berühmteste Klimaschutzaktivistin der Welt, Greta Thunberg, trägt übrigens ebenfalls permanent eine Climate Clock bei sich – gebaut ebenfalls vom Künstlerduo, das für die Installation am Union Square verantwortlich zeichnet. Die Zahlen stammen jeweils vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin, das sich in seinen Berechnungen ebenfalls auf den IPCC-Report bezieht.

"Das ist unser Weg, die Zahlen von den Häuserdächern zu rufen", sagte Golan, kurz bevor er die neue Uhr präsentierte. "Die Welt zählt auf uns." (Fabian Sommavilla, 23.9.2020)