Die Rechten haben unter Salvini nicht so gut abgeschnitten wie geplant. Eigentliche Siegerin innerhalb der Rechten ist Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia.

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Ein klares 6:0: Das war das erklärte Ziel Matteo Salvinis vor den italienischen Regionalwahlen vom Sonntag und Montag. Herausgekommen ist ein 3:3: Die vom rechtspopulistischen und europafeindlichen Lega-Chef angeführte Mitte-rechts-Koalition hat im Veneto, in Ligurien und in den Marken gewonnen, die Linke in der Toskana, in Kampanien und in Apulien. Für Salvini besonders bitter ist das Resultat in der Toskana, wo er zum Sturm auf die traditionelle rote Hochburg geblasen hatte – und klar verlor. Bereits im Jänner war er ebenfalls kläglich in der ebenfalls roten Emilia-Romagna gescheitert.

Salvini hat aber letztlich auch in den drei Regionen verloren, in denen er gewonnen hat. Im Veneto ist sein Parteigenosse Luca Zaia mit 76 Prozent der Stimmen als Regionalpräsident wiedergewählt worden – dabei hat die persönliche Liste des populären "Dogen" dreimal mehr Stimmen auf sich vereint als die offizielle Liste der Lega, auf der das Logo mit Salvinis Namen prangte.

Das Rekordresultat Zaias, der intern seit längerem als möglicher Nachfolger Salvinis an der Parteispitze gilt, wird die Personaldiskussion in der Lega zwangsläufig befeuern, zumal sich Ex-Innenminister Salvini wegen seiner früheren "Politik der geschlossenen Häfen" in Kürze auch einem Prozess wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch wird stellen müssen.

Lega verbucht herbe Stimmenverluste

In den Marken wiederum siegte die Rechte mit Francesco Acquaroli – und der ist nicht Mitglied der Lega, sondern der postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni. Die 43-jährige Römerin, die Salvini in den Umfragen immer näher kommt, ist die eigentliche Siegerin innerhalb der italienischen Rechten: Sie konnte nach der Bekanntgabe der Wahlresultate darauf hinweisen, dass "unsere Partei die einzige politische Kraft ist, die in allen Regionen an Stimmen zulegen konnte".

Die Lega wiederum musste vor allem in Süditalien zum Teil herbe Stimmenverluste einstecken. Auch in Ligurien siegte mit Giovanni Toti nicht ein Lega-Mann, sondern ein "Ex-Berlusconiano". Salvinis Führungsanspruch im Rechtslager wackelt.

In der ersten Wahl nach dem Lockdown haben die Italiener jenen Kandidaten vertraut, die das Land unaufgeregt und umsichtig durch die Pandemie geführt haben und die nicht, wie Salvini, permanent zwischen entgegengesetzten, populistischen Radikalforderungen geschwankt sind. Die Prioritäten der Wähler haben sich verändert. Sie sind sich bewusst geworden, dass ihr Land neben den Migranten und den EU-Bürokraten auch noch andere Probleme zu lösen hat – allen voran den Wiederaufbau des kaputtgesparten Gesundheitswesens, die steigende Arbeitslosigkeit und die sichere Rückkehr der Kinder an die Schulen.

Nach 35.000 Corona-Toten sind die Zeiten, als Salvini die italienische Politik fast nach Belieben dominierte und im September 2018 die Titelseite der US-Zeitschrift "Time" zierte ("The new face of Europe"), nur noch eine verblassende Erinnerung.

Conte darf mit seiner Koalition feiern

Für Ministerpräsident Giuseppe Conte und seine Regierungskoalition aus der Fünf-Sterne-Protestbewegung und dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) sind die Ergebnisse der Regionalwahlen dagegen zweifellos eine gute Nachricht: Die von Salvini im Falle eines 6:0 geforderten Neuwahlen sind für längere Zeit vom Tisch. Aufatmen konnte insbesondere PD-Chef Nicola Zingaretti, der im Fall einer Niederlage seines Kandidaten in der Toskana seinen Posten als Parteichef wohl los gewesen wäre.

Zingaretti sitzt nun wieder fester im Sattel – und die Gewichte innerhalb der Regierung haben sich zugunsten des PD verschoben, zumal der Fünf-Sterne-Koalitionspartner in den Regionalwahlen einmal mehr katastrophal abgeschnitten hat.

Politikverdrossenheit führt zur Parlamentsverkleinerung

Doch Grund zur Selbstzufriedenheit haben weder Conte noch Zingaretti. Das gleichzeitig mit den Regionalwahlen durchgeführte Referendum über die Verkleinerung des Parlaments hat gezeigt, dass die Politikverdrossenheit trotz der von der Regierung alles in allem gut gemanagten Pandemie nach wie vor groß ist: 70 Prozent der Italiener haben der Reduktion der Zahl der Abgeordneten von 630 auf 400 und der Senatoren von 315 auf 200 zugestimmt. Das ist ein Denkzettel an alle Politiker: Die Wähler haben die Volksabstimmung dazu genutzt, ihren – sehr begründeten – Unmut über die Ineffizienz des Politikbetriebs, über Korruptionsskandale, Selbstbereicherung und jahrelang aufgeschobene Reformen auszudrücken.

Conte und seine Minister wären gut beraten, wenn sie die Botschaft des Referendums ernst nähmen. Die zu erwartenden gewaltigen Mittel aus dem Wiederaufbaufonds der EU – für Italien sind über 200 Milliarden Euro reserviert, mehr als für jedes andere EU-Mitglied – stellen eine einmalige Chance dar, Italien mit gezielten Reformen zu modernisieren, wirtschaftlich wieder in Schwung zu bringen und zukunftstauglich zu machen. Sollte die Regierung diese Chance nicht nutzen, könnte sich der Wind schnell wieder drehen – und Salvini stünde erneut vor der Tür der Macht. Und wenn nicht er, dann Giorgia Meloni. (Dominik Straub aus Rom, 22.9.2020)