Wolken aus interstellarem Staub und Gas, hier die Sternentstehungsregion W5, enthalten auch gefrorenes Wasser.
Foto: NASA/JPL-Caltech/Harvard-Smithsonian

Der schier endlose Raum zwischen den Sternen ist keineswegs leer. Neben Gas besteht das sogenannte interstellare Medium vor allem aus jeder Menge Staub. Unsere Sonne durchquert derzeit einen Bereich erhöhter Gas- und Staubdichte. Diese Lokale Interstellare Wolke, mitunter auch Lokale Flocke genannt, besitzt einen Durchmesser von knapp 30 Lichtjahren und eine durchschnittliche Materiedichte von 0,3 Atomen pro Kubikzentimeter. Das mag nicht nach viel klingen, ist aber deutlich mehr als man in der Lokalen Blase findet, einem Raumgebiet rund um die Sonne mit einem Durchmesser von 300 Lichtjahren, in dem gerade einmal 0,001 bis 0,007 Atome pro Kubikzentimeter zu finden sind.

Sind jedoch genug Staubpartikel und Gasmoleküle in einem Raumbereich vorhanden, können solche Wolken zu Sternen kollabieren oder verklumpen und allmählich zu Himmelskörpern zusammenwachsen. Außerdem finden auf ihnen wichtige chemische Prozesse statt, aus denen komplexe organische – möglicherweise sogar präbiotische – Moleküle hervorgehen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Vorgänge ist allerdings die Existenz von Wasser bzw. Wassereis. Allerdings war bisher nicht klar, in welcher Verbindung Eis und Staub in diesen Regionen des Alls stehen. Ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Max-Planck-Instituts für Astronomie hat nun bewiesen, dass die Staubpartikel und das Eis miteinander vermischt sind.

Spektren aus dem Labor und aus dem All

"Bisher wusste man nicht, ob Eis und Staub unverbunden nebeneinander schweben, ob eine Eisschicht die Staubpartikel umhüllt oder ob beide miteinander vermischt sind", erklärt Alexey Potapov von der Universität Jena. "Wir haben die Spektren von laborproduzierten Silikaten, Wassereis und ihre Mischungen mit astronomischen Spektren von protostellaren Hüllen und protoplanetaren Scheiben verglichen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Spektren nahezu deckungsgleich sind, wenn Silikatstaub und Wassereis in diesen Umgebungen miteinander vermischt sind."

Daraus ziehen die Astrophysiker wertvolle Informationen, wie sie im Fachjournal "Nature Astronomy" berichten. "Wir müssen verschiedene physikalische Bedingungen in verschiedenen astronomischen Umgebungen verstehen, um physikalisch-chemische Prozesse im All besser modellieren zu können", sagt Potapov. Außerdem könnten sie so beispielsweise die Menge des Materials besser abschätzen und genauere Aussagen zu den Temperaturen in verschiedenen Bereichen der interstellaren und zirkumstellaren Media treffen.

Staub hält Wasser gefangen

Zudem konnten die Wissenschafter durch Experimente und Vergleiche beobachten, was mit dem Wasser passiert, wenn die Temperaturen zunehmen und das Eis bei etwa 180 Kelvin (-93 Grad Celsius) verschwindet bzw. in die Gasphase übergeht und den Festkörper, mit dem es verbunden ist, verlässt. "Einige Wassermoleküle sind dabei so stark mit dem Silikat verbunden, dass sie auf der Oberfläche oder im Inneren des Staubpartikels bleiben", sagt Alexey Potapov. "Wir vermuten, dass es dieses sogenannte 'trapped water' – also 'gefangenes Wasser' – auch an den Staubpartikeln im All gibt. Das zumindest legt der Vergleich zwischen den aus den Laborversuchen hervorgegangenen Spektren mit denen im sogenannten diffusen interstellaren Medium des Weltalls nahe. Dabei erhielten wir deutliche Hinweise, dass dort eben jene gefangenen Wassermoleküle existieren."

Die Existenz von solchem Festkörperwasser legt nahe, dass sich auch andere komplexe Moleküle auf den Staubpartikeln im diffusen interstellaren Medium befinden können. Wenn Wasser auf einem derartigen Teilchen vorhanden ist, dann ist beispielsweise der Weg zu komplexen organischen Molekülen nicht sehr weit. Denn die Staubpartikel bestehen meist unter anderem aus Kohlenstoff, der in Verbindung mit Wasser und unter Einfluss von Ultraviolettstrahlung, wie sie in der Umgebung herrscht, die Methanolbildung begünstigt. Die organische Verbindung habe man bereits in diesen Bereichen des interstellaren Mediums beobachtet – bisher wusste man allerdings nicht, woher sie stammt.

Suche nach dem fehlenden Sauerstoff

Die Präsenz des Festkörperwassers kann zudem Fragen zu einem anderen Element beantworten: Man kennt zwar die Menge an Sauerstoff im interstellaren Medium, hatte bisher allerdings keine Informationen darüber, wo genau sich etwa ein Drittel davon befindet. Die neuen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Festkörperwasser in Silikaten ein verstecktes Sauerstoff-Reservoir ist.

Außerdem kann das "gefangene Wasser" dabei helfen, überhaupt zu verstehen, wie der Staub zu Klumpen heranwächst, da es das Zusammenkleben kleinerer Teilchen zu größeren Partikeln begünstigen könnte. Möglicherweise wirkt dieser Effekt sogar bei der Planetenbildung. "Sollte es gelingen nachzuweisen, dass "gefangenes Wasser" in Bausteinen der Erde existierte – oder existieren konnte –, dann ergeben sich eventuell sogar neue Antworten auf die Frage, wie Wasser auf die Erde gelangte", sagt Potapov. (red, 23.9.2020)