Friedrich Merz spricht die Konservativen in der CDU an.

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Man muss Friedrich Merz eines lassen: Er kommt zwar längst nicht so oft in den Medien vor wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der ja sein Konkurrent im Rennen um den CDU-Vorsitz ist. Aber wenn Merz mal eine Bühne hat und spricht, dann verhallt dies durchaus nicht ungehört. Im Gegenteil: Gerade gab der 64-Jährige im Bild-Polittalk zwei Ansichten zum Besten und sorgte damit für große Empörung – ganz nach dem Motto: Merz, ein Mann von gestern.

Zunächst erklärte Merz auf die Frage, ob er sich einen schwulen Kanzler vorstellen könne, das sei kein Problem. Dann aber schob er nach: "Die Frage der sexuellen Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft."

Nicht nur von Sozialdemokraten und Grünen, auch in der Union hagelte es Kritik. So zeigte sich Alexander Vogt, Vorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), "maßlos darüber verärgert", dass Merz von der Homosexualität gleich zur Pädophilie komme.

Nicht vorhandener Zusammenhang

Vogt betonte: "Die LSU arbeitet seit ihrer Gründung gemeinsam mit vielen anderen Menschen in diesem Land hart daran, den immer wieder hergestellten, aber nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie aus den Köpfen zu bekommen."

Irritiert ist auch der schwule Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Auf die Frage, wie er die Aussage bewerte, meinte er: "Na ja, wenn die erste Assoziation bei Homosexualität Gesetzesfragen oder Pädophilie ist, dann müssen Sie eher Fragen an Friedrich Merz richten, würde ich sagen." SPD-General Lars Klingbeil twitterte: "Friedrich möchte aus dem letzten Jahrhundert abgeholt werden."

Vorfall aus dem Jahr 2001

Merz wiederum fühlt sich missverstanden und lässt über seinen Sprecher erklären, was er gesagt habe, gelte für "Heteros, Homos und alle anderen". Doch man erinnert sich gut an Merz’ Reaktion, als der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit 2001 sein Coming-out hatte. Damals sagte er: "So lange Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal."

Bei Bild warnte Merz zudem vor Corona-Faulheit: "Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir uns nicht alle dran gewöhnen, dass wir ohne Arbeit leben können. Wir müssen zurück an die Arbeit."

"Menschenverachtend" sei dies, kritisiert der Vizechef des CDU-Sozialflügels, Christian Bäumler. Denn: "Die meisten Menschen, die nicht arbeiten durften, haben darunter gelitten, finanziell und mental." Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagt, Merz habe "entweder ökonomisch keine Ahnung oder ist sozial zynisch". (Birgit Baumann aus Berlin, 23.9.2020)