Zwei Tage lang darf sich Amerikas Öffentlichkeit nun von einer ihrer profiliertesten Juristinnen verabschieden. Am Mittwoch wurde der Sarg der am Wochenende verstorbenen linksliberalen Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg im Justizpalast an der Washingtoner First Street aufgebahrt.
John Roberts, der Vorsitzende Richter am Supreme Court, hat Bader Ginsburg zum Auftakt der Gedenkzeremonien gewürdigt. "Das Leben von Richterin Ginsburg war eine von vielen Versionen des American Dream." Sie sei ein Rockstar der Justiz gewesen, obwohl sie eigentlich hätte Opernsängerin werden wollen, erinnerte Roberts.
Führende Figur im Kampf gegen Sexismus
Ginsburg, im Alter von 87 Jahren einer Krebserkrankung erlegen, habe Diskriminierung an der juristischen Fakultät und am Arbeitsmarkt erfahren, weil sie eine Frau war – und sei schließlich zur führenden Figur im Kampf gegen diese Diskriminierung vor Gericht geworden.
Roberts, der von George W. Bush ernannt wurde, gilt als Konservativer, der sich in der Ära Donald Trumps mitunter durchaus eine eigene Meinung erlaubt. Etwa indem er dem Präsidenten widerspricht, wenn dieser zum Rundumschlag gegen das Gericht ansetzt. Trump, so das Weiße Haus, will der Verstorbenen am Donnerstag "Respekt zollen".
Streit um Nachfolge
Ihren letzen Wunsch, nämlich im neunköpfigen Richterkollegium erst nach der Wahl am 3. November ersetzt zu werden, gedenkt der Präsident freilich nicht zu erfüllen. Um die Nachbesetzung des freigewordenen Postens im einflussreichen Gericht ist zwischen Republikanern und Demokraten wenige Wochen vor der US-Wahl am 3. November ein erbitterter Streit entbrannt.
Trump will schon am Samstag eine Kandidatin für die Nachfolge vorschlagen und strebt eine Abstimmung im Senat noch vor der Wahl an, bei der sich auch die Kräfteverhältnisse in den beiden Parlamentskammern verschieben könnten.
Ruth Bader Ginsburg wird dann nicht einmal eine Woche tot sein. (red, 23.9.2020)