Ella Risbridger schreibt übers Kochen, ihre Beziehung und ihre Kindheit.

Foto: Gavin Day

Für einen guten Porridge sollte man die Haferflocken als ersten Schritt anrösten, weil das den Geschmack verbessert. Das kann man machen, muss man aber nicht. Wenn man allerdings Ella Risbridgers Beschreibung der richtigen Zubereitung von Porridge gelesen hat, wird man ihn nicht mehr anders haben wollen. Denn die britische Autorin schreibt in ihrem Buch "Die Geschichte beginnt mit einem Huhn – Rezepte, für die es sich zu leben lohnt" über das Kochen mit einer Leidenschaft, die einen sofort mitreißt. Doch es ist auch kein klassisches Kochbuch, sondern ein sehr persönliches Werk mit Rezepten:

"Draußen war es dunkel; ich lag im Flur auf dem Boden, sah durch die offene Tür auf das Huhn und fragte mich, ob ich wohl je wieder aufstehen würde. Vielleicht , so dachte ich während ich da im Flur lag, bleibe ich einfach für immer hier auf dem Fußboden liegen, sinke durch das Laminat und weiter in den Beton und dann hinunter in die Erde. Doch dies ist die Geschichte einer Hoffnung. Es ist die Geschichte darüber, wie ich wieder aufstand." (...)"Irgendwann kam der Große Mann nach Hause und half mir auf. "Komm" sagte er, und wir gingen zusammen in die Küche und ich briet das Huhn, spätabends, und wir verspeisten es um Mitternacht mit Wein und Brot, aßen mit den Fingern, tunkten die nach Knoblauch duftenden Säfte vom Backblech auf und nagten die Knochen ab."

Das ist ein Auszug aus dem Rezept für "Mitternachtshuhn" mit dem das Buch startet. Dass das Huhn nicht der Anfang der Geschichte ist, erschließt sich erst in Folge: Nach einem Selbstmordversuch ist es der Gedanke an einen Pie, der Ella Risbridger wieder zurück ins Leben holt. Sie erinnert sich daran, wie sie das Backen von der Großmutter erlernte und am selben Abend, nachdem ihr Lebensgefährte ("Großer Mann" genannt) sie aus dem Krankenhaus abholt, macht sie zuhause Pie. Durchs Weiterkochen kam sie nach eigenen Worten wieder "auf die Beine" und die Rezeptsammlung sei für sie "eine Art Anleitung dafür, Stürme zu überstehen und seine eigene Lebensform zu finden, richtig zu leben".

Die Leserinnen und Leser, die mit "du" angesprochen werden, werden ermutigt, selbst zu kochen und es dabei nicht immer so genau zu nehmen, die Speisen sollen einfach ein Wohlgefühl auslösen. Für Risbridger sind es "Gerichte, die mir das Leben gerettet haben."

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn – Rezepte, für die es sich zu leben lohnt.
Ella Risbridger
30,80 Euro, ISBN 978-3-7667-2487-8

Callwey Verlag
Foto: Callwey Verlag

Für die Kocheinsteiger erklärt sie zunächst aber, was man denn in der Küche so alles an Utensilien haben und was in der Speisekammer und im Kühlschrank nicht fehlen sollte. Dann kommen noch ein paar hilfreiche Tipps, falls etwas beim Kochen schief gegangen sein sollte, erst dann geht es zu den eigentlichen Rezepten, die im teils doch sehr "Englisch" sind.

"Oatcakes", "Pikelets", "Bagels", "Scones" oder "Porridge" gibt es beispielsweise zum Frühstück. Bagels, Scones und Porridge kennt man, aber Pikelets? Das sind kleine "Pfannkuchen", die u.a. mit Germ zubereitet werden.

Im nächsten Kapitel folgen Brot- und Suppenrezepte (z.B. "Rauchige Rote-Rüben-Pistaziensuppe", "Rösttomaten-Knoblauchsuppe"), die – wie der Rest der Rezepte im Buch – von persönlichen Geschichten dazu begleitet werden.

In "Picknicks & Packups" wird unter anderem die Zubereitung von "Trashigen Ingwerbier-Hähnchenschenkeln" beschrieben, es gibt "Täubchen-Pie", "Dänische Cracker" und "Unelegante Samosas".

Menschen, die spät nach Hause kommen, Schlaflose oder "Liebende, die nach dem Sex spätnachts etwas zu essen brauchen": Der Abschnitt "Vorratsschrankgerichte & Mitternachtsgelage" liefert Gerichte, die sich relativ rasch ohne großen Aufwand – und mit dem, was gerade daheim ist, zubereiten lassen. Das sind beispielsweise ein "Notfallrisotto", "Aufmunternde Chili-Zitronen-Spaghetti" oder auch eine "Herzhafte Schwarze-Bohnen-Suppe".

Genau das Gegenteil davon ist die Wochenendküche: Hier geht es ums Einkaufen, ums Ruhenlassen, um (zeit-)aufwendige Zubereitungsarten. Es gibt "Roastbeef für zwei", "Samstagsnachmittagslasagne mit geschmortem Lauch" oder "Lebensbejahende Muscheln".

Den Abschluss bilden "süße Sachen", auch wenn das nicht ihre große Leidenschaft sei, wie die Autorin gesteht. Doch es gibt Ausnahmen wie "Etcetera-Apfelkuchen", "Pariser Kekse" oder Crunchie-Eiscreme, die sie selbst gerne serviert. Auf den letzten Seiten wird aus den Resten des Huhns vom Beginn eine Hühnersuppe gekocht, denn "alles wird besser, wenn du eine gute Brühe kochen kannst".

Foto: Elisa Cunningham

Wer die Danksagungen liest, wird nach der Lektüre einen Knödel im Hals verspüren: Der im Buch omnipräsente "Große Mann" ist nach einer Krebserkrankung verstorben. Das Buch entstand auch auf Krankenhausfluren und in langen, einsamen Nächten, in denen Ella Risbridger neben ihrem kranken Mann wachte. (Petra Eder, 26.9.2020)

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Nachfolgend ein Rezept aus dem Buch:

Rauchige Rote-Bete-Pistazien-Suppe

Für 4 große oder 6 kleine Teller
4 Rote Beten
2 rote Zwiebeln
4 Knoblauchzehen
4 EL ungesalzene Pistazienkerne ohne Schale
1 EL Olivenöl 10 g (etwa 1 Handvoll) getrocknete Pilze (ich mag gern Pfifferlinge)
500 ml kochendes Wasser
250 ml Milch
1 EL schwarze Pfefferkörner
1 Spritzer Sahne (optional)
1 kleines Stück Parmesan
Salz
schwarzer Pfeffer

Den Backofen auf 180 °C vorheizen. Grab deine Roten Beten aus, entweder aus dem Gemüsefach des Kühlschranks oder aus der Erde, und schrubb sie unter kaltem Wasser kräftig ab. Bei dieser Suppe lasse ich die Schale immer dran, sowohl wegen der Nährstoffe als auch aus Faulheit: Rote Bete schälen ist eine ziemliche Sauerei, und im Standmixer kommt ohnehin alles durcheinander. Aber falls du sie lieber schälst, dann schäl sie, und deine Suppe wird noch samtiger. Schäl die Zwiebeln und schneid sie in Viertel, dann leg sie und die Roten Beten in eine ofenfeste Form oder einen Bräter mit Deckel: Ich nehme immer meine alte Lieblingsbackform und eine zweite Backform (eigentlich das Unterteil der Grillpfanne, ohne den Grillrost) als Deckel obendrüber. Mit der Hälfte der Pistazien bestreuen und sehr, sehr großzügig Pfeffer darübermahlen. Mit Olivenöl beträufeln, zudecken, und ab geht’s in den Ofen.

Während das Gemüse brät, die Pilze in eine hitzefeste Schüssel geben, das kochende Wasser darübergießen und die Pilze einweichen. Nachdem Rote Beten und Zwiebeln 1 1/2 Stunden im Ofen waren, nachsehen, ob sie fertig sind: Sie sollten annähernd verbrannt aus-sehen, aber nicht im schlimmen Sinne; tun sie das nicht, nimm den Deckel ab und schieb sie für weitere 10 Minuten in den Ofen. Sämtliche komplett verbrannten Teile ignorieren, alles direkt in den Mixer geben und auf höchster Stufe 4–5 Minuten pürieren. Es soll so sämig wie möglich werden.

Das Einweichwasser der Pilze ganz langsam in den weiterlaufenden Mixer gießen. Du kannst auch die eingeweichten Pilze zugeben, wenn du willst, aber ich tue es meistens nicht: Sie können ein bisschen gummiartig werden, und im Grunde liebe ich vor allem die Flüssigkeit. Während Pilzflüssigkeit und Rote Bete miteinander Bekanntschaft schließen (etwa 2 Minuten), die Milch in einem kleinen Topf erhitzen und auch in den Mixer geben. Langsam, langsam, nicht alles auf einmal, sonst schwappt alles aus dem Mixer heraus, falls deiner so ähnlich ist wie meiner. Wenn die Suppe glatt püriert ist, in einen Topf schütten, bei niedriger Temperatur erhitzen und den Mixer augenblicklich auswaschen, denn Rote Bete klebt wie verrückt. Während die Suppe langsam heiß wird, die Pfefferkörner und den Rest der Pistazien im Mörser grob zerstoßen.

Die Suppe jetzt abschmecken und eventuell salzen: Du brauchst jetzt weniger, als wenn du sie zuvor gesalzen hättest. Auf Teller verteilen und einen winzigen Spritzer Sahne einquirlen (wenn du magst). Wenn es so gut wie im Restaurant aussehen soll, gib die Sahne mit einem Löffel in die Mitte und zieh sie mit dem Löffelstiel durch die Suppe. Streu die Pistazien-Pfeffer-Mischung in einer Linie quer über den Teller, mitten durch das hübsche Sahnemuster, und stäub dann ganz fein geriebenen Parmesan darüber. Schau, wie unglaublich schön das aussieht. Servieren und das dunkle Brennen der Novembererde spüren, den modrigen Geschmack des Spätherbsts und den scharfen Biss des Pfeffers. Du fühlst dich gewärmt, als würdest du auf freiem Feld an einem Funkenfeuer sitzen, vor dir die hoch auflodernden Flammen, neben dir deine besten Freunde, und die ganze Welt wartet auf dich.