Viele Straßen in Wien sehen so aus: viel Verkehr, Parkplätze, Beton – aber kaum Grünflächen und Bäume. Das Auto in der Stadt ist ein heißdiskutiertes Thema im Vorfeld der Wien-Wahl.

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Die ersten kühlen Tage im Herbst sind für viele Stadtbewohner eine Erleichterung, auch in Wien. Denn durch die globale Erwärmung steigt die Hitzebildung in der Stadt. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist die Schaffung von Grünflächen.

Ein Thema, mit dem sich auch die Baukulturpolitik beschäftigt. Allerdings werde dieser in Wien "gesellschaftlich und kulturell nicht sehr viel Bedeutung zugemessen", sagte Robert Temel vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion im Wiener Architekturzentrum. Er ist Sprecher der Plattform Baukulturpolitik, die Parteienvertreterinnen und -vertreter im Vorfeld der Wien-Wahl zur Debatte geladen hatte.

Zu wenige Bäume

Vor allem die Oppositionsparteien hielten sich naturgemäß mit Kritik nicht zurück. Obwohl es viel Potenzial gebe, mehr Bäume zu setzen, seien oft Hindernisse innerhalb der Stadt ein Problem, kritisierte Elisabeth Olischar (ÖVP) und plädierte für eine bessere Zusammenarbeit verschiedener Magistratsabteilungen. Könnte dies auch in der Seestadt ein Problem gewesen sein? "Wenn man in der Seestadt aus der U2 aussteigt, steht man auf einem Platz, auf dem es einen Baum gibt und sonst nur Asphaltflächen", hieß es von Stefan Gara (Neos), und weiter: "Was Wien nicht gut kann, sind Plätze."

Dem stimmte auch Alexander Pawkowicz (FPÖ) zu. Unter dem Deckmantel der Urbanität seien in Wien sehr lange Plätze einfach versiegelt und zubetoniert worden. "Bei einer Neugestaltung kamen erst die großen Bäume weg, dann wurden neue in Trögen gepflanzt", sagte er und nannte als Beispiel das Museumsquartier. Erst in den letzten Jahren habe es in diesem Bereich eine Rückbesinnung gegeben.

Neues Wohnzimmer

Vertreter der regierenden Parteien wussten sich aber zu verteidigen: In Wien sei eine Rückeroberung des öffentlichen Raums gelungen, sagte etwa Peter Kraus (Grüne). Viele Projekte hätten ganz neue Denkräume aufgemacht – Stichwort Mariahilfer Straße. "Der öffentliche Raum ist jetzt das Wohnzimmer der Wienerinnen und Wiener", so der Politiker. Ein gutes Beispiel sei gewesen, dass bei der Umgestaltung der Neubaugasse zur Begegnungszone – anders als bei der Mariahilfer Straße – "nicht mehr diskutiert und auch nicht mehr demonstriert wurde".

Auch der SPÖ sei klar, dass "Klimapolitik eine Überlebensfrage ist", wie ihr Vertreter Omar Al-Rawi es formulierte. Man sei weiter darum bemüht, die Verweilqualität im öffentlichen Raum zu erhöhen und Zentren außerhalb der Stadt so zu verschönern, "dass man sich auch dort gerne aufhält", so Al-Rawi.

Ein Punkt, den die ÖVP zu kritisieren weiß. Denn vor allem die Grünen konzentrierten sich etwa in puncto Öffis zu sehr auf die Bezirke innerhalb des Gürtels, so Olischar. In den Außenbezirken seien die öffentlichen Verbindungen unzureichend. "Wir glauben auch, dass das Auto langfristig eine geringere Rolle spielen wird, aber man muss die Menschen in ihren Lebensrealitäten abholen", so die Vertreterin der Volkspartei. Von Neustift am Walde nach Pötzleinsdorf müsse man beispielsweise mit den Öffis einmal in die Stadt hinein und wieder hinaus, um ans Ziel zu kommen. "Das macht keiner, da braucht man ein Auto", so Olischar. Kraus von den Grünen entgegnete: "Natürlich braucht es in den Flächenbezirken mehr öffentlichen Verkehr." Die Grünen wollen dort auf jene Schienen setzen, die es schon gibt, also etwa die S-Bahn. Sie müsse schneller und effektiver genutzt werden.

Ungewünschte Stellplätze

Apropos Auto: Es erhitzt die Gemüter wie in kaum einem Wahlkampf zuvor, zumal der Verkehr einen großen Teil der klimaschädlichen Emissionen verursacht. Auch hier spielt die Wiener Baukulturpolitik eine Rolle, und vor allem die Stellplatzverpflichtung. Sie besagt, dass pro 100 Quadratmeter neu errichteter Wohnfläche ein Stellplatz gebaut werden muss. Gleichzeitig stehen viele Parkplätze in Wien leer, und teure Tiefgaragen erhöhen die Bau- und somit die Wohnkosten.

Gara von den Neos kritisierte ÖVP, FPÖ und SPÖ, die seiner Aussage nach "im Gemeinderat um jeden Parkplatz kämpfen". Die Neos selbst sprechen sich gegen eine Verpflichtung aus und sehen Stellplätze als "optional" an. Prioritäten im öffentlichen Raum müssten dringend umverteilt werden, so der Politiker. SPÖ-Vertreter Al-Rawi ließ dies nicht auf sich sitzen und konterte: Seine Partei bekenne sich dazu, dass Autos weniger Platz bekommen sollen, man sei auch für radikalere Maßnahmen offen. Gemeinsam mit den Grünen habe man etwa in der Seestadt – sie sorgte in der Diskussion also auch für positive Beispiele – dafür gesorgt, dass der Weg zur Garage ebenso weit ist wie jener zur U-Bahn.

Abhängige Stellplatzmenge

FPÖ-Vertreter Pawkowicz forderte ein Stellplatzregulativ nach Zürcher Vorbild, wo die Anzahl der vorgeschriebenen Stellplätze sich nach der Qualität der öffentlichen Anbindung richtet. Wichtig war ihm zudem: "Das Ganze muss ohne Autofahrer-Bashing funktionieren."

Bei den Grünen hält man die Stellplatzverpflichtung für "historisch total überholt" – weil sie nur das Auto regle und nicht die Mobilität insgesamt, sagte Kraus und holte in puncto Verkehr zur Retourkutsche an die ÖVP aus: Sie sei die einzige Partei, die sich bei der Umgestaltung des Schwedenplatzes schon beschwere, "wenn nur eine Abbiegespur für die Autofahrer wegfällt". Die Politik der letzten Jahre sieht Kraus hingegen bestätigt und nannte ein Beispiel: Im Vorjahr wurden im sechsten Bezirk um 200 Autos weniger angemeldet – "und das bei steigender Bevölkerungszahl".

Möglicherweise werden auf jenen Parkplätzen, die diese Autos nun nicht benötigen, ja tatsächlich Bäume gepflanzt. (Bernadette Redl, 25.9.2020)