Nur wenige Touristen landeten in diesem Sommer auf der Baleareninsel Ibiza.

Foto: AFP/JAIME REINA

Ungewöhnlich ruhig ist es auf den Stränden.

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Clubs bleiben vielfach geschlossen.

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Wann die nächste Schaumparty stattfindet? Heuer ziemlich sicher nicht mehr.

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Das Nachtleben spielt sich draußen ab, aber nur sehr eingeschränkt.

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Hunderte von verschwitzten Clubbern shaken auf der vollgestopften Tanzfläche, über ihren Köpfen Laserstrahlen, die Bässe wummern, der Beat wird dringlicher. Die Masse der Feierwütigen wirft die Arme in die Luft. Plötzlich Stille – bevor die Musik wieder voll einsetzt. So oder so ähnlich ging es 2019 noch auf Ibiza zu.

2020 herrscht hier Stille. Ohne Coronavirus wäre die Party wohl jetzt noch in vollem Gange: Junge Europäer würden die Strände, Bars und Clubs der Baleareninsel bevölkern. Doch de facto gibt es heuer auf Ibiza keine Partys, keinen Tourismus, wie CNN berichtet. Nur ein paar Leute kämen – und dann nur für ein paar Tage. Tourismusvertreter berichten von einer schlechten Sommersaison und fürchten sich vor einer noch viel schlechteren Wintersaison.

Party als Tourismuszweig

Ibiza ist vielleicht die bekannteste Insel der Balearen und zieht alle an – von Prominenten, die auf Superyachten ankommen, bis hin zu Flugzeugladungen junger britischer und deutscher Touristen –, die sich eine gute Zeit machen wollen. Eine Underground-Dance-Party-Szene, die in den 1980er-Jahren entstand, hat sich Jahrzehnte später zu einem eigenständigen, international bekannten Tourismuszweig entwickelt.

Aber dank eines Sommers, der von Quarantäne, geschlossenen Nachtclubs und abgesagten Flügen geprägt ist, leiden die Balearen neben anderen europäischen Party-Hotspots im Mittelmeer unter einem miserablen Kater – allerdings ohne den Rausch der Nacht davor. Und weil der Spaß auf unabsehbare Zeit nicht mehr zurückkehren wird, denken Einheimische, die auf das Nachtleben angewiesen sind, über eine Zukunft ohne Party und Massentourismus nach.

Gleichgewicht gesucht

Aber schon davor waren Stimmen laut geworden, sich von dem hedonistischen Image einer Sauf- und Partylocation zu lösen. Bereits im Jänner 2020 verpflichteten sich die Balearen zu neuen Vorschriften, um einen nachhaltigeren und respektvolleren Tourismus auf den Weg zu bringen – echte Veränderungen im touristischen Modell sollten es werden.

Die Regionalregierung hat eine Reihe von Gesetzen zur Eindämmung des Alkoholkonsums in den Touristenzentren von San Antonio, Ibiza und Magaluf sowie Playa de Palma auf Mallorca eingeführt, darunter das Verbot von Happy Hours, Partybooten für alkoholschwangere Kreuzfahrten und Beisltouren. Man wolle die erzwungene Auszeit nutzen, um eine neue Balance zwischen Partytourismus und nachhaltigem Tourismus herzustellen, heißt es.

Die Briten fehlen

Dennoch war der Sommer 2020 für die spanischen Inseln kein Totalausfall, obwohl Reisewarnungen vor allem Briten und Deutsche davon abhielten, dort Urlaub zu machen. Im Juni führte die Insel Mallorca erfolgreich einen Pilotplan für deutsche Besucher durch, der die Vermarktung als sicheres Ziel ermöglichte. Bis Juli konnten die Balearen immerhin eine Million Besucher verzeichnen – etwa dank eigens eingerichteter "Reisekorridore" für britische Touristen.

Doch Ende Juli verhängte die britische Regierung angesichts steigender Zahlen in bestimmten spanischen Regionen eine 14-tägige Quarantäne für alle Reisenden, die aus dem Mittelmeerraum zurückkehren. Reisende verließen daraufhin fluchtartig ihr Urlaubsdomizil, zukünftige Reisen wurden abgesagt. Auch die Deutschen blieben nach einer Reisewarnung des Auswärtigen Amts aus. Damit versiegte der Urlauberstrom aus diesen beiden Hauptmärkten wieder, was den Inseln wohl den Verlust rund eines Drittels ihres Jahreseinkommens bescheren wird.

Neues Image gesucht

Diejenigen, die beschlossen, die Quarantäne zu akzeptieren und trotzdem dorthin zu reisen, wenn sie denn einen Flug finden konnten, erlebten eine ganz andere Art von Urlaub: Beliebte Partymeilen waren verwaist, Clubs mit Brettern vernagelt, Bars geschlossen. Viele öffneten gar nicht erst – es zahlte sich nicht aus. Auch wenn sich die meisten Besucher an die Regeln hielten, gab es Berichte über betrunkene Touristen, die auf Social Distancing pfiffen und rücksichtslos handelten. Auf Mallorca wurden Mitte Juli alle Bars in der Punta-Ballena-Straße geschlossen, nachdem berichtet worden war, dass die hauptsächlich britischen Touristen dort und die Barbetreiber selbst die Regeln nicht einhielten.

Der lokalen Tourismusbranche scheint es zu dämmern, dass es nun an der Zeit ist, ihr Geschäftsmodell zu ändern, weg vom billigen Alkohol und günstigen Pauschalreisen. Denn selbst wenn die Virusfälle wieder abnehmen und die Länder ihre Quarantänen aufheben, kommt ein Cluburlaub im Zeitalter von Covid weitgehend nicht mehr infrage. Live-Events und Gigs sind vom Tisch. Clubs bleiben geschlossen. Es scheint undenkbar, sich in Massen von Hunderten oder Tausenden zu versammeln. Obwohl man nicht ganz auf das weltberühmte Nachtleben verzichten will, möchte man Ibiza nun stärker als Familienurlaubsziel sowie als Destination für Naturliebhaber promoten.

Bis sich dieses neue Image durchsetzt, hofft man darauf, dass sich die Virussituation verbessert und die britische Quarantäne aufgehoben wird, damit der Wintertourismus das Geschäft bis zum Sommer 2021 überbrücken kann. Man ist also vorsichtig optimistisch, auch wenn ziemlich sicher feststeht: 2020 kann man vergessen. (red, 27.9.2020)