Unabhängigkeit immer neu erkämpfen: STANDARD-Herausgeber und "Profil"-Gründer Oscar Bronner (rechts), Moderatorin Eva Weissenberger, "Profil"-Herausgeber Christian Rainer.

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Oscar Bronner hat vor 50 Jahren "Profil" gegründet und den "Trend", vor 32 Jahren den STANDARD, weil er in Österreich solche unabhängigen Medien vermisste. Bei den österreichischen Medientagen sagte Bronner am Donnerstag: "Die Unabhängigkeit des Journalismus ist immer in Gefahr und muss immer neu erkämpft werden. Es gibt immer Stakeholder, die nicht viel von der Unabhängigkeit halten."

"Medien sind verwundbar"

Die Hauptgefahr für unabhängige Medien sei ihre erodierte und weiter erodierende finanzielle Basis: "Google und Konsorten haben das Werbegeld abgesaugt, das den klassischen Medien fehlt. Daher sind Medien auch verwundbar."

Darum wüssten etwa auch Politik und öffentliche Stellen, die das an Medien fließende (Werbe-)Geld "genau dosieren". Und "man sieht: Das Geld fließt in genehme Medien."

"Würde Raison d'être verraten"

Bronner hat bei "Profil" wie STANDARD vielfach erlebt, dass Unternehmen ihre Werbebuchungen nach kritischen Berichten gestrichen haben. Doch "es darf keine Frage sein", ob für Inserenten oder auch Großinserenten unangenehme Berichte erscheinen können: "Wenn man da anfängt, Kompromisse zu suchen, ist man nicht am richtigen Platz."

Insbesondere, wenn der Sinn der Gründung ein unabhängiges Medium sei: "Wenn ich die Raison d'être des Mediums verrate, um weiterzuexistieren, führt sich das Ganze ad absurdum."

"Journalismus ist Widerstand"

Christian Rainer, "Profil"-Herausgeber seit 22 Jahren, sieht Unabhängigkeit und "niveauvollen Journalismus" als kongruente Begriffe. Unabhängigkeit müsse "die DNA von Journalisten sein, Teil und Basis von allem, was wir tun", sagt Rainer. Und: "Journalismus ist Widerstand gegen die, die unsere Unabhängigkeit angreifen wollen."

Auch Rainer sieht heute vor allem die ökonomische Basis von Medien als Gefahr für Unabhängigkeit. "Dem Wohl und Weh von Milliardären ausgeliefert" zu sein könne gutgehen wie bei der von Amazon-Boss Jeff Bezos übernommenen "Washington Post". Muss aber nicht: Dietrich Mateschitz stellte gerade seine Rechercheplattform "Addendum" überraschend ein, und auch Servus TV drohte der Red-Bull-Milliardär schon einmal damit.

Als "Profil" 2000 über die Koalition von Wolfgang Schüssels ÖVP mit Jörg Haiders FPÖ mit "Die Schande Europas" titelte und ihn anderntags der damalige Raiffeisen-Boss und "Kurier"-Aufsichtsratschef Christian Konrad anrief, rechnete Rainer schon mit dem Ende seiner Herausgeberschaft. Aber Konrad sagte ihm nur: "Recht habt's." "Profil" gehörte damals wie heute wieder ganz dem "Kurier", der mehrheitlich in Raiffeisen-Besitz steht.

Zur "Profil"-Berichterstattung – auf profil.at – in den vergangenen Tagen über die FinCEN-Files und die Rolle von Raiffeisen dort habe es "keinen Anruf gegeben, weder vorher noch nachher", sagt Rainer.

Treichl: "Raiffeisen ist eine parapolitische Organisation"

Andreas Treichl, der langjährige Boss der Erste Group, machte sich Donnerstag auf einem anderen Medientage-Podium Gedanken über die Unabhängigkeit von Medien. Er habe als Erste-Boss durchaus überlegt, "ein Medium zu kaufen", wie das ja Raiffeisen vielfach getan habe – "kostet ja nicht so viel, so ein Medium". Aber: "Ich war extrem gut beraten, das nie gemacht zu haben."

"Prinzipiell ist es nicht gut, wenn Wirtschaftsunternehmen eines anderen Medienzweigs Medien besitzen", findet Treichl, inzwischen Aufsichtsratspräsident der Erste-Stiftung. Nachsatz: "Raiffeisen ist eine parapolitische Organisation, die überall drin ist, soll's auch bei Medien sein."

Die Erste-Stiftung sei "Lichtjahre" entfernt von Raiffeisen, warnte Treichl Moderatorin Corinna Milborn (Puls 4) davor, diese mit Raiffeisen zu vergleichen – "dann haben wir ein Problem", ja gar "einen Krieg". Die Stiftung sei "genau das Gegenteil von dem, was Raiffeisen war". Sie investiere in gemeinnützige Projekte.

Und könnte der Tag kommen, an dem sie auch Medien als gemeinnützige Projekte unterstützt? "Das wäre eine fürchterliche Situation, wenn Medien von NGOs abhängig werden", sagt Treichl.

"Die Macht der Medien hat offensichtlich keinen Preis"

Österreich könne "froh sein, dass ein so kleines Land eine so diverse Medienlandschaft hat". Doch "die Wertrelationen gehen immer weiter auseinander" – bei Medien insgesamt. Treichl: "Die Macht, die Medien haben, hat offensichtlich keinen Preis."

Sein Beispiel: Amazon-Boss Jeff Bezos kaufte die "Washington Post" 2013 für 250 Millionen Dollar. Damals war Amazon 100 Milliarden Dollar wert. Heute sei Bezos' Konzern das 15-Fache wert, die "Washington Post" aber könnte er vielleicht für denselben Preis wie 2013 verkaufen, wenn er wollte.

"Man kann Medien für nichts kaufen", sagte Treichl und illustriert das an einem schon eingangs verworfenen Szenario: "Wenn sich die Erste entschließen würde, ein Medium zu kaufen, und ich möchte niemanden beleidigen: Sie könnte jedes Qualitätsmedium in Österreich mit dem Nettogewinn einer Woche kaufen."

"Je besser sich die Medien auskennen, desto besser für uns"

Treichl betonte zudem die "strikte und glaubwürdige Trennung zwischen Werbung und Berichterstattung" bei der Erste Bank. Wirtschaftsunternehmen brauchten Medien und professionelle Berichterstattung: "Je besser sich die Medien auskennen, desto besser für uns."

Zwei Fälle von Journalisten, die sich weniger gut auskannten und mit einem Fehler etwa die Börsenaufsicht alarmierten, ärgerten Treichl nachhaltig. Wäre der eine von ihnen damals in seiner Nähe gestanden, "ich hätte dem wirklich eine geflascht", sagt Treichl. "Presse"-Herausgeber Rainer Nowak daraufhin: "Es ist gut, dass du keine Zeitung hast." (fid, 24.9.2020)