Influencerin Franzi Schädel mag den Begriff eigentlich nicht. Sie sieht sich eher als Bloggerin beziehungsweise "Ecofluencerin".

Foto: Franzi Schädel

Der Witz hat einen Bart, kommt aber verlässlich, wenn von Influencern die Rede ist: Die seien "Influenza", also quasi lästig wie eine Grippe. In sozialen Netzwerken kann jeder online eine Gefolgschaft aufbauen: Da ein Selfie, dort eine Story – mit Glück und Hartnäckigkeit kann man so hunderte bis tausende Follower anlocken. Manchen der Web-Stars steigt die Online-Prominenz zu Kopf. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass Influencer sich im Gegenzug für ein Posting kostenlose Aufenthalte in Hotels oder Gratisprodukte erschnorren wollen.

Auch bei österreichischen Betrieben versuchen Influencer immer wieder ihr Glück. Bei der Wirtschaftskammer sieht man diese Art des Marketings zwiegespalten. So auch Hotellerie-Obmann Dominic Schmid. Da die Postings ja nicht von heute auf morgen verschwinden, profitieren die Betriebe über einen gewissen Zeitraum von ihrer neuen Sichtbarkeit bei der jungen Zielgruppe. Zudem ist es so selbst für kleinere Hotels ohne große Budgets möglich, gewisse Trends einzubringen, auf spezielle Konzepte hinzuweisen und gezielt Märkte anzusprechen.

Allerdings betont Schmid, dass man vorab auf jeden Fall recherchieren sollte, wen man da bei sich für Publicity kostenlos nächtigen lässt. Laut dem Hotellerie-Obmann gebe es nämlich "auch viele schwarze Schafe". Um diese zu entlarven, sollte die Anzahl der Follower geprüft werden – aber auch, ob der Influencer auf mehreren Plattformen vertreten ist und dort regelmäßig neue Inhalte veröffentlicht. Erst dann könnte man sehen, ob so ein Netzpromi authentisch ist.

Die "Ecofluencerin"

Die Deutsche Franzi Schädel gilt als authentisch und ist damit als Influencerin erfolgreich. Sie hält von dem Begriff jedoch nur wenig und bezeichnet sich lieber als "Ecofluencerin" beziehungsweise Bloggerin. Seit zehn Jahren arbeitet sie nun als hauptberufliche Fotografin und veröffentlicht auf Instagram und ihrem Blog regelmäßig Postings über Nachhaltigkeit, Slow Living und faires Reisen.

Schädel kann sich aussuchen, mit wem sie kooperiert. Durch einen STANDARD-Artikel wurde die Norddeutsche vor rund zwei Jahren auf das Boutiquehotel Stadthalle in Wien aufmerksam. Nach einer kurzen Mail-Konversation kam eine Zusammenarbeit zustande. Schädel verbrachte einige Monate später ein paar Tage in dem Wiener Hotel. "Tatsächlich kann man sagen, dass es dann zwischen uns allen wirklich wie Liebe auf den ersten Blick war", erzählt sie. Etliche Fotos und zwei Blogeinträge dokumentierten den Aufenthalt. Schädel verlängerte dann auch noch auf eigene Kosten und besucht das Hotel seither regelmäßig – etwa um Fotos, Porträts oder Reportagebilder anzufertigen.

Auch Michaela Reitterer, Betreiberin des Boutiquehotels Stadthalle und Präsidentin der Hoteliervereinigung Österreich, ist mit der Kooperation zufrieden. Sie sieht Influencer-Marketing als Teil einer Gesamtstrategie: "Es ist wichtig, eine Geschichte zu erzählen." Schädel passte zu dem Betrieb, der nach eigenen Angaben weltweit das erste Stadthotel mit neutraler Energiebilanz ist. Also entschied man, die Bloggerin für drei Tage einzuladen. Traditionelle Werbung hat das Hotel noch nie geschaltet, da das Thema Nachhaltigkeit vor allem von Mundpropaganda leben soll.

Ein "Haufen Schwafler"

Ganz unkritisch sieht Reitterer Influencer-Marketing aber auch nicht. Es gebe einen "Haufen Schwafler", die sich im Netz für PR so präsentieren, wie sie eigentlich gar nicht sind. Dies würde man aber auch schnell merken. Schädel warnt ebenso davor, dass man sich nicht "zu arg von hübschen Bildern und lächelnden Gesichtern blenden" lassen soll. Die Bloggerin empfiehlt, dass man sich vorab informiert und genau überlegt, welche Zielgruppe man ansprechen will und was das Ziel der Kooperation ist. "Da geht es dann nicht mal mehr um Klickzahlen, sondern um Authentizität und eine echte Geschichte – und dann auch echte, aus Überzeugung folgende Buchungen", betont sie.

Die Corona-Krise dürfte ohnehin dafür gesorgt haben, dass viele Scharlatane unter den Influencern ausgesiebt wurden. Laut Schmid soll es kaum mehr Anfragen dubioser Art geben. Auch Reitterer sagt, dass der Hype mittlerweile abflache.

Schädel konnte sich zuletzt nicht beklagen. Nach dem Lockdown in ihrer Region in Schleswig-Holstein porträtierte sie viele Unternehmer kostenlos, um Aufmerksamkeit für die Schicksale der Firmen zu schaffen: "Das Projekt tat so gut, man blieb in Kontakt, gab sich gegenseitig ein wenig Halt, und unter anderem folgten daraus später größere fotografische Aufträge." (Daniel Koller, 27.9.2020)