Während die Fridays-for-Future-Bewegung im vergangenen Jahr noch Staatenlenkern und Wirtschaftsriesen vor aller Weltöffentlichkeit das Fürchten lehrte, wirkt sie inmitten der alles dominierenden Corona-Krise längst wie ein Relikt vergangener Tage. Heute, Freitag,steht nun also das Comeback von Fridays for Future an, und auch die bunten Bilder demonstrierender Klimaprotestler werden vielleicht wieder Einzug in unseren Alltag halten. Die Klimakrise ist, trotz Corona, noch immer nicht vom Tisch und bleibt auch unverändert die Herkulesaufgabe unserer Zeit.

Doch wer angesichts der Ankündigungen der Industrie Angst hat, vom Jobabbau betroffen zu sein, für den wird Klimaschutz im Moment nur zweitrangig sein. Existenzängste plagen die neue Lebensrealität vieler Menschen. Die Klimabewegung, die in ihrem Auftreten bereits vor dem Ausbruch des Virus vielfach als elitär und abgehoben empfunden wurde, muss nun aufpassen, dass sie nicht den Rückhalt aus der Bevölkerung verliert.

Heute, Freitag, findet der nächste weltweite Klimastreik statt. Es ist der mittlerweile sechste.

Foto: Imago Images / Dominik Bund

Zu Beginn hat auch mich die hoffnungsvolle Klimabewegung mit ihrer Unerschrockenheit begeistert. Ich selbst bin junger Student, und das Klima war mir schon immer ein Herzensthema. Zudem gehöre ich einer Generation an, für die der Klimawandel eine unumgängliche Alltagserfahrung sein wird. Dass ich auf der richtigen Seite stehe, daran hatte ich damals keine Zweifel. Je häufiger ich jedoch auf Demonstrationen ging, desto fremder wurde mir Fridays for Future. Meine anfängliche Euphorie war schnell verflogen. Viel zu oft stellten die Demonstrierenden nämlich vermeintliche Klimasünder an den Pranger. Der erhobene Zeigefinger war schnell das eigentliche Wiedererkennungsmerkmal der Bewegung. Ihre Feindbilder waren dabei glasklar. Ihr Weltbild gefährlich eindimensional. Irgendwann hatte ich das Gefühl, Fridays for Future befände sich im ultimativen Kampf gegen den Rest der Menschheit.

Frage der Alltagswirklichkeit

Was damals in meiner Unistadt das am heißesten diskutierte Gesprächsthema war, löste in meinem kleinen Heimatdorf entsprechend nur Unverständnis aus. Ihre teilweise radikalen Klimaforderungen gingen an der Alltagswirklichkeit der allermeisten Menschen vorbei. Doch die Klimabewegung war von Anfang an viel zu homogen, viel zu elitär und entsprechend viel zu abgehoben, als dass sie dies selbst überhaupt auch nur bemerkt hätte. Das belegen mittlerweile selbst Studien: 90 Prozent der Demonstrierenden haben bereits ihr Abitur oder machen es gerade. Gefälligst irgendwie über die Runden kommen zu müssen, dieses Gefühl ist dem Fridays-for-Future-Milieu meist fremd.

Doch das Gefühl, gefälligst irgendwie über die Runden kommen zu müssen, ist seit Corona selbst in wohlhabenden Ländern eine sehr verbreitete Lebenserfahrung geworden. Der medizinisch notwendige Shutdown stürzte Österreich in die größte Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg. In Österreich befanden sich zwischenzeitlich 1,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit und ganze elf Prozent der Bevölkerung mussten mit Arbeitslosigkeit kämpfen. Doch hinter all den nackten Zahlen stehen vor allem zutiefst besorgte und verunsicherte Menschen. In meinem Bekanntenkreis erlebe ich deshalb gerade eine gefährliche Spaltung: Meine privilegierten Freunde haben noch immer das Privileg, eine drohende Klimaapokalypse als das zurzeit dringlichste politische Thema ansehen zu können, während andere voller Ohnmacht den tagtäglichen Zusammenbruch ihrer eigenen Welt erleben.

Schwierige Zeit für die jungen "Weltenretter"

Fridays for Future muss vor diesem Hintergrund gewarnt sein. In den kommenden Monaten dürfen sie nicht so auftreten, als ob es die Corona-Krise niemals gegeben hätte. Das wäre die endgültige Bestätigung all jener, die der Klimabewegung ohnehin vorwerfen, sie wäre ausschließlich eine Rebellion der Privilegierten. Doch umso schmerzlicher: Auch Menschen, die grundsätzlich große Sympathien für den Klimaschutz haben, könnten auf Distanz zu den jungen "Weltenrettern" gehen.

Die Fridays-for-Future-Bewegung wird nur dann im Kampf gegen den Klimawandel ein Sprachrohr der ganzen Bevölkerung sein, wenn sie Menschen aus allen Schichten hinter sich versammeln kann. Sowohl die Jungunternehmerin und den Hochschullehrer als eben auch die Friseurin und den Kfz-Mechaniker. Doch dies gelingt nur, wenn sie sich zu einer inklusiven und offenherzigen Klimabewegung wandelt. Eine Bewegung, die sich nicht in apokalyptischen Androhungen und moralischen Schuldvorwürfen verliert, sondern mit einem sozialen und lebensnahen Klimaschutz begeistert. Denn ich bin absolut überzeugt: Wer vor lauter Liebe zur Erde die darauf lebenden Menschen vergisst, der wird die Welt nicht retten! (Clemens Traub, 25.9.2020)