Der Gutschein darf nicht gegen alkoholische Getränke eingelöst werden.

Foto: Matthias Cremer

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Heißt es. Ich tu das schon. Selbst wenn der Gaul ein noch so kleines Pony ist. Vor ein paar Monaten lag ein Gastrogutschein in meinem Briefkasten. Einsam und allein. Es war einer von gut 940.000, die an Wiener Haushalte verschickt wurden.

39 Millionen Euro gab die Stadt dafür aus, war zu lesen. 25 Euro davon gehörten also mir und wollten verprasst werden. Meine Kopfrechenmaschine angeworfen, dividierte ich 25 Euro durch 3,40. 3,40 kostet ein Spritzer bei meinem Stammwirt.

Macht sieben Gläser plus Trinkgeld. Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Gutschein darf nicht gegen alkoholische Getränke eingelöst werden, hieß es. Ist ein weißer Spritzer Alkohol? Doch nur zum Teil. Vielleicht hätte ich ihn gegen 14 halbe Spritzer einlösen können, also nur das Soda damit bezahlen?

Ein Freund nahm den Gutschein zum Anlass, mit seiner Liebsten zum Brunch zu gehen. Ich kann brunchen nicht ausstehen. Allein schon das Wort. Ich hätte ihn meiner pubertierenden Tochter schenken können. Aber Pubertierende gehen zu Starbucks oder schlürfen Bubble-Tea. Will man das unterstützen?

Ob man der Wiener Gastronomie mit der Aktion überhaupt angemessen hilft, beschäftigte mich mäßig, schließlich kann ich als täglich aufkreuzender Stammgast eines Cafés mit gutem Gewissen schlafen. Zumindest diesbezüglich.

Ich hätte den Gutschein einem Obdachlosen schenken können. Im Auge hatte ich auch schon einen. Es handelt sich um eine Bekanntschaft aus der Zeit des Lockdowns, ein witziger Typ, der in einer Wikinger-Serie bella figura machen würde. Des Öfteren unterhielt er mich en passant mit seinen Theorien über Sternschnuppen, die am Himmel über dem Stephansdom über ihn hinwegsausten.

Dann aber las ich, dass mit den Gutscheinen auch Schindluder getrieben wurde. Sie mögen sich fragen, was das schon für ein wildes Schindluder sein könnte, das meine Bekanntschaft mit dem Schein hätte treiben können. Egal, meine alemannische Seele ist in solchen Sachen gewissenhaft – und wäre es nur ein Schindlüderle gewesen. Da meldet sich der Vorarlberger doch.

Stundenhotel

Mein generelles Verhältnis zu Gutscheinen entspricht ungefähr jenem zu Socken. Praktisch, durchaus! Im besten Falle brauchbar. Zu meiner Hochzeit schenkte mir ein Spaßvogel Gutscheine für das Stundenhotel Orient samt einer Peitsche. Irgendwie originell. Aber ich hätte sie vorher besser brauchen können.

Die Oma einer Bekannten bekam zu ihrem 90. Geburtstag Besuch vom Bürgermeister der Kleinstadt, in der sie lebte. Er überreichte ihr einen Blumenstrauß und ein Säckchen voller Palmers-Gutscheinmünzen. Der Stadtoberste war noch keine zehn Minuten zur Tür draußen, als die Jubilarin fragte, welcher Depp ihr Gutscheinmünzen für ein Wäschegeschäft geschenkt habe. Mit 90 darf man schon ein bisschen vergesslich sein. Und frech.

Mein Stammwirt nimmt die Gutscheine übrigens gar nicht an. Ich hätte mir das Dividieren also sparen können. Mein Stammwirt tut so manches nicht, was andere tun. Wahrscheinlich ist er deshalb mein Stammwirt.

Gegen Redaktionsschluss dieses Artikels dräute das Ende der Einlösefrist. Was also tun? Ich hörte von Zeitgenossen, die den Gutschein für den Besuch eines Lokals verwendeten, das sie zuvor noch nie besucht hatten, der Sache also experimentellen Charakter verleihen wollten.

Es wurde also Zeit, dem Gaul wirklich ins Maul zu schauen. Verputzt wurde letztendlich ein Teller Yaki Udon vom Koreaner ums Eck, bei dem ich, aus welchem Grund auch immer, bislang noch nie eingekehrt war. Die Portion war vorzüglich. Experiment gelungen, wenn auch mit Wermutstropfen, denn selbst japanisches Bier geht nicht als antialkoholisches Getränk durch. Legte ich halt ein paar Euro drauf. Der "Wirtschaft" zuliebe! (Michael Hausenblas, Magazin "Leben in Wien", 1.10.2020)