Yusuf Demir gehört geschützt. Und beschützt. Es sei Vorsicht angebracht, sagt Rapid-Sportchef Zoran Barisic, schließlich sei der Fußball ein beinhartes Geschäft. "Man soll Einzelne in der Öffentlichkeit nicht hervorheben. Aber ja, Yusuf ist ein Toptalent. Der geht seinen Weg." Barisic geht einen Schritt weiter, bezeichnet den 17-Jährigen als "ungeschliffenen Diamanten". Und er meint es gar nicht abwertend, wenn er über den Emporkömmling sagt: "Er hat drei Dinge im Kopf: Fußball, Fußball, Fußball." Lobend hervorzuheben sei, "dass er nach wie vor die Schule besucht". Also muss in seinem Hirn Platz für ein viertes oder fünftes Ding sein.

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Logischerweise hat Demir einen Berater, in der Branche ist es mittlerweile üblich, dass bereits 15-Jährige gemanagt werden. Nahezu unabhängig vom Talent. Was im konkreten Fall natürlich nicht zutrifft. Steffen Hofmann, Rapids Ikone, Talente-Manager und zusätzlich Trainer der zweiten Mannschaft, ist, was Demir betrifft, einfach nur baff: "In seinem Alter ist er der Beste, den ich je gesehen habe." Und der 40-jährige Hofmann hat nicht gerade wenige gesehen.

Yusuf Demir hat Fußball im Kopf, ist weit mehr als ein Rohdiamant.
Foto: AFP/ JASPER JACOBS

Der Zeit voraus

Der türkischstämmige Demir wurde am 2. Juni 2003 in Wien geboren. Arbeiterfamilie, gut integriert, eine Schwester, ein Bruder. Karrierebeginn bei der Vienna auf der Hohen Warte, 2013 Wechsel zu Rapid nach Hütteldorf. Er war seiner Zeit voraus, ließ 13-Jährige recht arm aussehen.

Seine Positionen: offensives Mittelfeld, hängende Spitze, Rechtsaußen. Flexibilität und Vielseitigkeit sind seine großen Stärken. Feine Technik, enge Ballführung, Spielwitz und Übersicht ergänzen das Gesamtpaket, die Torschüsse fallen fest und platziert aus. Hofmann lobt den enormen Fleiß, den unbändigen Willen: "Er ist nie zufrieden, will alles richtig und besser machen. Trifft er nicht ins Kreuzeck, übt er so lange, bis es klappt." Hofmann hat sich Demirs angenommen, es wurde Vertrauen aufgebaut, obwohl die Kommunikation anfangs holprig war. "Er ist keine Plaudertasche, hat zunächst nur mit Ja oder Nein geantwortet. Mittlerweile kommt er aus der Reserve, macht hin und wieder einen Schmäh."

Zoran Barisic ist von Demir angetan.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Seit November 2019 gehört Demir dem Profikader an, das Debüt absolvierte er am 14. Dezember gegen die Admira (3:0). Als jüngster Spieler der Vereinsgeschichte (16 Jahre, sechs Monate), das ist bemerkenswert, schließlich wurde Rapid 1899 geschaffen. Zuletzt ging es Schlag auf Schlag, Tor im Cup gegen St. Johann (5:0), Tor beim bitteren 1:2 in der Champions League gegen Gent. Am vergangenen Samstag glich er in Graz gegen Sturm zum 1:1-Endstand aus. Als Wechselspieler.

Trainer Didi Kühbauer hat Demir die Rolle des Jokers übertragen. "Ich gehe behutsam mit ihm um, möchte ihn nicht verheizen." Wobei Demir – ehrgeizig, wie er nun einmal ist – die permanente Zugehörigkeit zur Startformation anstrebt. Der im Wachstum befindliche Jungspund ist Bestandteil von Österreichs U 21, in der U 19 hat er in 14 Einsätzen neunmal genetzt, einmal von der Mittellinie aus. Theoretisch könnte er noch zum türkischen Verband wechseln, vielleicht sollte Teamchef Franco Foda mit einer Nominierung vorbeugen.

Bleibt Demir von groben Verletzungen verschont, ist sein Weg vorgezeichnet. Der Vertrag bei Rapid endet im Sommer 2022, ein Abschied spätestens 2021 ist wahrscheinlich, nahezu unvermeidbar. Er steht auf den Einkaufslisten internationaler Großklubs. Ganz Kühne vergleichen ihn mit dem jungen Lionel Messi, aber wirklich nur ganz Kühne. Die Wahrheit dürfte ein bisserl drunter liegen, aber das ändert nichts am Traum von einer fulminanten Karriere. Sein aktueller Markwert wird auf drei Millionen Euro geschätzt, er kann sich pro Einsatz erhöhen. Rapid steht wirtschaftlich betrachtet vor einem großen Geschäft, sportlich gesehen allerdings vor einem großen Verlust.

Steffen Hofmann ist von Demir angetan.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Das Schweigen

Demir gibt noch keine Interviews (darf keine geben), das macht Sinn, junge Menschen gehören geschützt und nicht den Medien zum Fraße vorgeworfen. Wobei in Zeiten der Corona-Pandemie Kontakte ohnedies radikal eingeschränkt sind.

Für Hofmann ist Demir "weit mehr als ein Rohdiamant. Wenn man ihn spielen sieht, da lacht das Herz. Für solche Spieler gehen die Leute ins Stadion." Wegen Corona dürfen sie halt kaum. Rapid gastiert am Samstag in St. Pölten, 1900 Zuschauer sind in der NV-Arena erlaubt (Schachbrettmuster!). Und keine Gästefans. Yusuf Demir, er trägt die Nmmer 48, wird von dieser Minderheit live zu sehen sein. Als Joker, sofern es sich Kühbauer nicht anders überlegt. Barisic: "Er will immer nur Fußball spielen." (Christian Hackl, 25.9.2020)