Stadtkind oder Landei? Immer mehr Menschen sind einmal das eine, dann das andere.

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Homeoffice funktioniert in Wien wie in Wulkaprodersdorf. Seit Corona ist es in manchen Branchen nicht mehr nötig, im Büro zu sitzen. Um diese Chance und Herausforderungen für den ländlichen Raum ging es jüngst bei einer virtuellen Podiumsdiskussion, die von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Steiermark organisiert wurde.

Eine Zuteilung in Stadt- oder Landmensch ist heute oft nicht mehr möglich. Roland Gruber vom Architekturbüro nonconform sprach von einem "Zeitalter des vielheimischen Daseins". Man würde sich immer wieder verändern, vom Landei zum Stadtkind werden – und umgekehrt. Die Einstellung, dass man in eine Immobilie investiert hat und nun an einem Ort bleiben muss, falle weg. "Es wird mehr Doppelexistenzen geben", prognostiziert auch Raumplanerin Gerlind Weber. Die Menschen seien nicht mehr "für immer hier oder für immer weg, das ist ein Auslaufmodell". Die Kehrseite der Medaille betonte Architektin Sonja Hohengasser. In Millstatt musste die Volksschule schließen, weil der Nachwuchs fehlt, gleichzeitig boomen Zweitwohnsitze.

Teil der Realität

In puncto Mobilität gibt es auf dem Land vielerorts Raum nach oben. Allerdings seien zu Corona-Zeiten viele aufs Auto umgestiegen, die Busse nun leer, "das hat uns wahnsinnig zurückgeworfen", so Weber. Eine Lösung könnte autonomer öffentlicher Verkehr werden, der werde allerdings nicht überall rentabel sein. Das Auto wird also Teil der Realität auf dem Land bleiben.

Dennoch: Stadt und Land werden sich laut Gruber mehr angleichen. "Wenn wir ländlichem Raum Zukunft geben wollen, ist das sicher nicht die Idylle der Kinderbücher." Nötig sei "ein zeitgemäßer, toller Lebensraum, der ein bisschen anders tickt, aber alle Stückerln spielt, die wir von der Stadt kennen".

Gefahren der Entwicklung

Es brauche individuelle Lösungen, war man sich einig – und die Erkenntnis, dass neue Gesichter auch Chancen, Zweitwohnsitzler nicht böse sind und dass es abseits der Landwirtschaft Lebensentwürfe auf dem Land geben darf. Architekt Juri Troy wies aber auch auf Gefahren der Entwicklung hin: Jene, die es sich leisten können, zieht es aus der Stadt. Wer physisch arbeiten muss, bleibt. "Wesentlich wird sein, diese Entzweiung der Gesellschaft nicht noch zu verstärken." (zof, 25.9.2020)