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Science Fiction ist die Literatur der Ideen. Darum kann ein Autor mit einer guten Idee recht weit kommen, selbst wenn seine Schreibe nicht mit der Kraft flammender Sonnen explodiert. Dennis E. Taylor hatte eine solche Idee: Er versetzte einen sympathischen Nerd in die Zukunft und ließ ihn so viele digitale Kopien von sich selbst anfertigen, bis er sich zum Schutzgeist der Galaxis aufschwang. Das war originell und trug die "Bobiversum"-Trilogie fast bis zu deren Ende. Im darauf folgenden Einzelroman "Die Singularitätsfalle" und auch jetzt im brandneuen "Outland" wirken die Ideen schon deutlich bekannter. Und je mehr Taylor sich und andere wiederholt, desto stärker werden seine schreiberischen Limits spürbar. Nicht unbedingt schmerzhaft spürbar. Nur eben spürbar.

Sechs Studenten und viele Welten

Das Thema diesmal: Parallelwelten. Ja, eigentlich ist von verschobenen Wahrscheinlichkeitsräumen, Quantenüberlagerungen und bla die Rede. Aber sowas steckt der durchschnittliche SF-Fan weg wie all die Synonyme für "Hyperraum", mit denen SF-Autoren demonstrieren wollen, dass der Flug mit Überlichtgeschwindigkeit in ihren Büchern etwas ganz Eigenständiges ist. De facto haben die beiden Physikstudenten Kevin Jahani und Richard Nadeski ein Portal zu Parallelwelten gebaut, in denen die Erdgeschichte einen etwas anderen Verlauf genommen hat.

Der vielleicht größte Unterschied zu Taylors früheren Romanen ist, dass nicht eine Person im Mittelpunkt steht, sondern ein Sextett. Als Identifikationsfigur kommt am ehesten noch der schmerbäuchige Ingenieurswissenschafter Bill Rustad ("Ich bin mit jedem der Menschheit bekannten Science-Fiction- und Horrorfilm vertraut.") dem Bob des nach ihm benannten Universums und Ivan aus der "Singularitätsfalle" nahe. Doch auch Bill ist nur Teil des Teams. Dazu gehören noch die Geologin Erin Savard, deren Freund Matt Siemens, ein Informatiker, und zu guter Letzt die schießwütige Zoologin Monica Albertelli. Allesamt sind sie Studenten an der Universität von Lincoln, Nebraska.

Eine gute (wenn auch ebenfalls nicht ganz neue) Idee ist, dass das Multiversum keine unendliche Vielfalt verschiedener Erden eröffnet, sondern dass sich die Parallelwelten zu einigen Varianten von besonders hoher Wahrscheinlichkeit zusammenballen. Eine davon ist die Treibhauserde, auf der venusartige Verhältnisse herrschen, eine sehr viel attraktivere die Wildniserde, die bald Outland getauft werden wird. In dieser Realität scheint der Mensch ausgestorben zu sein, bevor er modern werden konnte – darum tummeln sich noch all die Tiere auf Erden, die er sonst ausgerottet hätte. Stellen wir uns also darauf ein, ein Nordamerika zu betreten, in dem uns Mammuts und Säbelzahnkatzen genauso über den Weg laufen werden wie, ähem, "Schreckenswölfe" (gemeint ist Canis dirus, die leicht vergrößerte Eiszeit-Variante des Wolfs).

Geldbeschaffung und Weltuntergang

Die erste Erkundung Outlands entspringt nicht wissenschaftlicher Neugierde, sondern einer finanziellen Notlage. Da die Studenten für ihr Portal allerlei Uni-Equipment zweckentfremdet haben, brauchen sie rasch Geld, um Ersatz zu kaufen. Also gehen sie Gold waschen – natürlich da, wo es auf unserer Erde längst entnommen wurde, auf Outland aber immer noch herumliegen müsste. Die Aktion ist ein voller Erfolg, abgesehen von der Misslichkeit, dass dadurch eine Gangsterbande auf die glücklichen Goldfinder aufmerksam wird.

Als Spannungsfaktor würden diese Schurken, die irgendwie an die Panzerknackerbande von Entenhausen erinnern, so wenig ausreichen wie die schrecklichen Wölfe. Aber da hat Taylor ohnehin etwas anderes im Ärmel: Im Yellowstone-Park brodelt es nämlich gewaltig, es droht ein Ausbruch des dortigen Supervulkans. Das wäre eine Katastrophe von zivilisationszerstörenden Ausmaßen – womöglich wird Outland noch vom Goldlager und Wildtierpark zur neuen Exilheimat der Menschheit aufsteigen. Oder zumindest der paar Leute, die es rechtzeitig durchs Portal schaffen.

Spätestens an dieser Stelle kann niemand mehr die Parallelen zur Reihe "Die Lange Erde" von Stephen Baxter und Terry Pratchett übersehen. Auch darin wurde in Parallelwelten ohne menschliche Bewohner gereist, und auch darin brach der Yellowstone-Vulkan aus. Ein Kaufportal würde Dennis Taylors jüngste Idee wohl als "Gebraucht, Zustand gut" beschreiben.

Unkaputtbare Unverdrossenheit

Wie gehabt wird auch in diesem Roman wieder viel gegrinst und gelacht und aus Genrefilmen zitiert, der durchgängige Umgangston zwischen den Hauptfiguren ist der gutmütigen Spotts. Taylors gewohnt positive Attitüde ist durchaus ein Gegengift zur Mieselsucht vieler "ernsterer" SF-Autoren. Manchmal allerdings wirkt die Unverdrossenheit der Protagonisten auch etwas unpassend. Wenn auf der Erde nebenan Milliarden Menschen über den Jordan zu gehen drohen, würde man sich von den Hauptfiguren doch ein bisschen mehr seelischen Tiefgang erhoffen.

Dennis Taylor schreibt Bücher, die keinem wehtun. Sie sind nicht schlecht, und sie sind nicht langweilig. Man darf nur keine unrealistischen Erwartungen hegen. Sie bieten einfach dieselbe Art von Wohlfühl-Unterhaltung wie ein Popcorn-Film, den man sich anschaut, wenn im Kino gerade nichts Gehaltvolleres zur Wahl steht. Und dessen Sequel man sich ebenfalls anschaut, wenn ein Jahr später wieder mal nichts läuft, das zwingender wäre. Eine Fortsetzung zu "Outland" hat Taylor übrigens bereits angekündigt.