Thurston Moore bestätigt seinen guten Ruf mit "By the Fire".

Foto: Vera Marmelo

Es beginnt zwar nicht gut, aber dann. Es beginnt nämlich so, wie man es einmal zu oft gehört hat: mit verbogenem Gitarrengeklimper. Das war vor 35 Jahren originell, als Sonic Youth schon aus Dilettantismus nicht anders in ihre zerschossenen Songs gefunden haben. Heute ist es eher ein Manierismus, wohlwollender gedeutet könnte man von Wiedererkennungseffekt sprechen.

Doch wenn das Gezupfe verstummt, legt Thurston Moore richtig los. Hashish heißt der erste Song seines neuen Soloalbums By the Fire und zeigt: Moore hat einen Lauf. Denn nach dem bereits skizzierten Einstieg kracht er in einen mehr als aufgeweckten Song – der so gar nicht zum knieweich machenden Haschzeug passt.

Thurston Moore - Topic

Thurston Moore gilt als guter und böser Bube. Böse, weil er dafür verantwortlich war, dass die US-Band Sonic Youth vor acht Jahren auseinanderging. Moore hat seine Frau betrogen, die Bassistin Kim Gordon. Seit damals befinden sich alle vier ehemaligen Mitglieder auf Solopfaden und/oder in diversen Kollaborationen. Als gut gilt er, weil Sonic Youth wichtige Wegbereiter und Förderer von Underground-Bands warsn – und das über Jahrzehnte hinweg.

Der 62-jährige Moore ist mit seinen Veröffentlichungen am ehesten dem Sound seiner früheren Band verbunden geblieben. Wiewohl manche Titel auf By the Fire relativ konventionell klingen, doch das ist bei einem Musiker, der lange Jahre unkonventionell gespielt hat, ja nur eine Art Konsequenz. Wo er früher noch mit dem Schraubenzieher die Saiten seiner Gitarren bearbeitet hat, bemüht er sich jetzt um diesbezügliche Müllvermeidung.

Ecstatic Peace Library

Das steht der Musik gut an. Als alter Bilderstürmer ergeht er sich zwar immer noch in Songs, die über die Zehn-Minuten-Marke wuchern, doch er schafft es, dass es dabei nicht fad wird. Schließlich hat er noch als Kaulquappe bei den E-Gitarren-Symphonien eines Glenn Branca mitgewirkt, er kennt das Spiel mit Dynamik.

Kontrollierte Ekstase

Daraus und aus Neigungen zum Jazz und zu den Stooges ist längst eine eigene Ästhetik geworden. Eine prächtige Bastardmusik, die einerseits das Erbe der von vielen schmerzlich vermissten Sonic Youth pflegt. Andererseits zeigt es, dass ein Leben ohne diese New Yorker Band möglich ist.

By the Fire schließt an das ausgezeichnete Rock n Roll Consciousness von 2017 an. Kontrollierte Ekstase, epische Melodien, altbekannte Lärmausbrüche im Sinne der Erfinder dieser so oft in der Schnittmenge von Punk und Kunst entstandenen Musik. Wer sollte das besser können als Moore? (Karl Fluch, 26.9.2020)