Wien – ÖVP-Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel drängte Sonntag in der ORF-"Pressestunde" auf weitere Maßnahmen der Stadt Wien, um die wegen der hohen Infektionszahlen verhängten Reisewarnungen wegzubekommen. Er verteidigte die Linie der Regierung, regional unterschiedliche Maßnahmen zuzulassen. Sein Ziel für die Wien-Wahl ist möglichst viel Zuwachs für die ÖVP, Rot-Türkis ist aus seiner Sicht "natürlich" möglich. Andernfalls bleibt Blümel Finanzminister.

Der Finanzminister und ÖVP-Spitzenkandidat für die Wien-Wahl, Gernot Blümel, will die Sperrstunde auch in der Bundeshauptstadt auf 22 Uhr vorverlegen.
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Menasse "hat das nicht so gemeint"

Viel Aufmerksamkeit erregte Blümel mit seiner Erklärung zu der Social-Media-Kontroverse rund um Autor Robert Menasse und dessen Facebook-Posting, in dem er Blümel schwer kritisierte. Er respektierte Menasses Meinung, sagte der Wiener ÖVP-Chef, auch wenn ihn die Wortwahl ein wenig überrascht habe. Gelöscht worden sei nicht auf sein Drängen, sondern weil es gegen die Forums-Diskussionsregeln verstoßen habe.

Wenn Signalwörter wie Hitler oder Anspielungen auf die NS-Zeit auftauchten, würden diese automatisch gelöscht. Wenngleich er wisse, "dass das der Herr Menasse nicht so gemeint hat". In den sozialen Medien wie Twitter wird Blümel für diese Erklärung heftig kritisiert.

Der Autor hatte in dem Posting unter anderem die rhetorische Frage gestellt, ob Blümel zurück in eine Zeit wolle, als Wien in Person von Karl Lueger einen antisemitischen Bürgermeister hatte, von dem Hitler gelernt habe. Blümels in der Wahlwerbung wiederholt geäußertes Ansinnen, Wien "wieder nach vorne" bringen zu wollen, konterte Menasse mit der Gegenfrage, an welchem Fleck der vom Adverb bezeichnete Ort zu suchen sei.

Blümel drängt auf mehr Maßnahmen

Wien sollte dem Beispiel der westlichen Bundesländer folgen und ebenfalls die Sperrstunde auf 22 Uhr vorverlegen, forderte Blümel neuerlich. Mit Blick auf die für Tourismusunternehmen und Handel besonders wichtige Vorweihnachtszeit müsse man alles tun, damit Deutschland oder die Niederlande ihre Reisewarnungen zurücknehmen. Andernfalls drohe vielen Unternehmen die Pleite und vielen Beschäftigten die Arbeitslosigkeit.

Da diese Reisewarnungen regional je nach Infektionszahl – etwa gegen Wien oder Innsbruck – verhängt werden, müsse auch regional gehandelt werden, wies Blümel Kritik an einer unübersichtlichen Regelvielfalt zurück. Einen zweiten Lockdown wolle die Regierung "um jeden Preis verhindern". Eine Zahlengrenze, ab der ein solcher nötig wäre, wollte Blümel nicht nennen – "mir sind die Zahlen jetzt schon viel zu hoch", sagte er nur.

Härtefallfonds verlängern

An Corona-Hilfen für die Wirtschaft sind – bei einem Budget von 50 Milliarden Euro – derzeit 25 Milliarden Euro rechtsverbindlich zugesagt, gab der Finanzminister bekannt. Wenn es die Corona-Entwicklung erfordert, werde man Hilfsmaßnahmen verlängern. Aktuell werde dies für den Härtefallfonds überlegt. Auch ein Moratorium für Kredite – die Möglichkeit, sie in hybrides Eigenkapital umzuwandeln – werde erwogen, wenn Unternehmen wegen Corona von der Pleite bedroht sind.

In seiner Rolle als Wiener ÖVP-Spitzenkandidat blieb Blümel bei der Linie, die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben: Eigene Umfragen mit deutlich über 20 Prozent habe die ÖVP selbst nie gehabt. Aus seiner Sicht wäre schon die Verdoppelung der – 2015 nur 9,24 Prozent – ein historischer Erfolg. Auf Zuwachs hofft er vor allem aus der FPÖ – sei doch die ÖVP in Wien die "einzige regierungsfähige Mitte-rechts-Partei" und mit ihrer Linie bei Integration und Sicherheit ein Angebot für enttäuschte FPÖ-Wähler.

Hoffen auf Koalition mit SPÖ

Eine rot-türkise Koalition in Wien ist für Blümel "natürlich" realistisch – auch wenn die Haltung etwa in der Integrationspolitik sehr unterschiedlich ist. Schließlich gebe es auch in der SPÖ – nicht nur Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sondern auch in Wien – Stimmen, die dem ÖVP-Kurs recht geben. Aus Sicht Blümels sollte auch Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael "Ludwig weniger auf Rendi-Wagner-Linie sein und mehr auf Doskozil-Linie". Dass der Bundeskoalitionspartner da "anders tickt", wisse man – und das sei kein Problem.

Den mit recht viel Kritik an Wien geführten ÖVP-Wahlkampf verteidigte Blümel. Er wolle zwar nirgends anders leben als in Wien – aber es gebe Probleme, etwa in der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen oder des Haushaltseinkommens, aber auch bei Integration, zum Beispiel mit fehlenden Deutschkenntnissen. "Da läuft nicht alles ausschließlich gut", meinte Blümel – und merkte an: "Wem's reicht, wie es ist, der braucht uns auch nicht zu wählen." (APA, red, 27.9.2020)