Oft ist es das Gesundheitspersonal, das als Erstes mit von Gewalt Betroffenen in Kontakt kommt.

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Vor einer Woche informierten Frauenministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) über folgende Zahlen: Die Betretungs- und Annäherungsverbote, die gegenüber Gewalttätern verhängt werden, stiegen von 886 im Februar auf 1.081 im April. Im Juli gab es 1.085, im August 1.055. In größeren Städten ist die häusliche Gewalt zudem um 26 Prozent gestiegen, in kleineren Gemeinden um neun Prozent. Raab sprach von einem "leichten Anstieg" während des Lockdowns.

Diese Analyse war wohl nicht Ausgangspunkt, aber doch aktueller Anlass dafür, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nun am Montag gemeinsam mit Expertinnen ein neues Instrument vorstellte, das die Versorgung von Gewalt Betroffener in den Krankenhäusern verbessern soll: Mittels der sogenannten "Opferschutzgruppen-Toolbox" soll jenen Fachkräften, die im Gesundheitswesen in Kontakt mit Betroffenen kommen, eine bessere Anleitung in die Hand gegeben werden.

Neue Toolbox

Die Toolbox richtet sich vor allem an die sogenannten Opferschutzgruppen, die sich um Betroffene von Gewalt kümmern. Solche müssen seit 2011 in Krankenhäusern eingerichtet werden. Sie bestehen aus speziell geschulten Mitarbeitern sowohl aus dem Ärzte- als auch aus dem Pflegebereich. Ihre Aufgabe ist es wiederum, weitere Mitarbeiter zu schulen, die dann Misshandlungen nicht nur erkennen können sollen, sondern die Betroffene auch sensibel ansprechen und die Verletzungen gerichtstauglich dokumentieren können. Bereitgestellt werden auch Vorlagen für Anzeigen sowie Kontakte zu Beratungsstellen.

Konkrete Daten aus dem Gesundheitswesen, etwa ob mehr Frauen mit gewaltbedingten Verletzungen während des Lockdowns Ambulanzen aufsuchten, gibt es nicht. Dass jede fünfte Frau zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt wird – so wie aus Studien seit Jahren bekannt –, bezeichnete Anschober als "dramatisch". Spitäler könnten hier einen "wesentlichen Beitrag zur Unterstützung von Gewaltprävention leisten", sagte der Minister. Viele Frauen würden zwar nicht die Polizei, aber sehr wohl Ärzte aufsuchen, die dann erste Ansprechpartner seien. Somit gilt der Gesundheitsbereich als niederschwelliger Interventionsbereich.

Aktionsplan gefordert

Das sieht auch Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt, so: Im Gesundheitsbereich gebe es großes Potenzial, Fälle und das Ausmaß der Gefährdung zu erkennen. Wiewohl das Krankenhaus nicht der Ort sei, um eine Schuldfrage zu klären oder Betroffene zu retten: Vor allem gehe es um die Weitervermittlung an die richtigen Stellen.

Logar erinnerte daran, dass Gewalt gegen Frauen auch bedeuten kann, dass Frauen sterben. 17 Frauen wurden heuer bereits getötet. Die Interventionsstelle fordert die Bundesregierung "dringend" zu weiteren Verbesserungen auf, etwa der Erstellung eines gemeinsamen nationalen Aktionsplans gegen häusliche Gewalt. (Vanessa Gaigg, 28.9.2020)