Trotz einer Anzeige mit etlichen Details ermittelte die WKStA 2015 nicht und die Banker konnten fünf Jahre weiterfälschen.

Foto: Matthias Cremer

Hätte man die Malversationen in der Commerzialbank Mattersburg schon im Juli 2015 entdecken können und nicht erst jetzt? 2015, als der erste Whistleblower der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der FMA Hinweise gab, wonach es im Institut unter Martin Pucher und Bankerin K. Konten für inexistente Kunden, Bargeldtransaktionen und Schwarzgeldflüsse zum SV Mattersburg gebe?

Nein, sagt die WKStA und begründet das damit, dass die von ihr damals kontaktierte Bankenaufsicht nichts gefunden und es daher keinen Anfangsverdacht gegeben habe, der Voraussetzung für die Einleitung von Ermittlungen ist. In der FMA sagt man, die von ihr beauftragten Vor-Ort-Prüfer der Nationalbank (OeNB) seien nicht fündig geworden. Die OeNB beruft sich u.a. darauf, dass sie die Malversationen mit den ihr erlaubten Mitteln nicht finden konnte. So hätten sie etwa dem Hinweis, zwei Banker hätten Unterlagen daheim, im Rahmen der damals gerade laufenden Vor-Ort-Prüfung nicht nachgehen dürfen.

Bericht an FMA

Tatsächlich fanden die Vor-Ort-Prüfer nichts. Festgehalten haben sie das in einem fünfseitigen Bericht an die FMA, in dem sie anmerkten, was sie alles nicht prüfen dürfen. Zudem stellten sie Vermutungen an, warum die Vorwürfe des Whistleblowers gar nicht stimmen können: "Selbst bei einem – wie im Commerzialbank Mattersburg vorliegenden – schlecht funktionierenden Risikomanagement wäre es unwahrscheinlich, dass eine Malversation in dieser Größenordnung nicht schon aufgefallen wäre."

Und: "Ein fiktives Kreditvolumen im Ausmaß von ungefähr 50 Prozent des Gesamtkreditvolumens erscheint sehr unwahrscheinlich." Heute weiß man, dass es zuletzt 500 gefälschte Kreditkonten gab und 689 Millionen Euro der Bilanzsumme (rund 800 Mio.) fingiert waren.

Weil nicht sein kann, ...

Die OeNB weiter: "Da (bei fingierten Krediten; Anm.) keine Rückzahlungen erfolgen würden, müssten diese Fälle laufend rolliert werden und auch der Zinsendienst müsste entsprechend dargestellt werden." Heute weiß man, dass Bankerin K. jahrelang, tagaus, tagein mit "Rollierungen" beschäftigt war und auch Zinsen erfunden waren. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auch der vom Tippgeber erwähnte Vorwurf, der Bankchef fülle ständig Konten seiner Töchter mit (Bank-)Geld auf, wurde von der OeNB vom Tisch gewischt: "Im Zuge der Prüfung wurde keine Kredittilgung durch Direktor Pucher festgestellt. Ungeachtet dessen wäre aus Sicht der Prüfer eine allfällige Rückzahlung durch den Vater, der über ein solides Einkommen verfügt, nicht weiter verdächtig." Detail am Rande: Laut Krone war Pucher Lottomillionär, in einer Einvernahme hat er demnach ausgesagt, er habe sieben Millionen Euro im Toto gewonnen.

Wie auch immer, die OeNB hielt 2015 abschließend fest, es habe sich kein Beweis für die vom Whistleblower erhobenen Vorwürfe gefunden.

... was nicht sein darf

Dieser kurze OeNB-Bericht landete also bei der FMA. Sie teilte der WKStA mit, dass sich die Vorwürfe nicht erhärtet hätten. Die WKStA bekam den Bericht nicht, weil er Bankgeheimnis-relevante Informationen enthalten habe, deren Weitergabe ohne richterlichen Beschluss nicht erlaubt ist, wie es heißt. Für die WKStA war die Sache somit erledigt: keine Ermittlungen.

Bleibt die Frage, warum die WKStA nicht schon in der detailreichen Anzeige einen Anfangsverdacht sah und selbst Ermittlungen aufnahm. Und, warum sie eine Behörde losgeschickt hat, von deren begrenzten Befugnissen man weiß.

WKStA verweist auf Bankenaufseher

Die WKStA argumentiert, sie habe die FMA als auf Banken spezialisierte Behörde kontaktieren müssen. Die habe erklärt, die Hinweise in die Vor-Ort-Prüfung einzubeziehen und nicht mitgeteilt, dass sie die Vorwürfe mit ihren Mitteln gar nicht prüfen kann. Richterliche Genehmigung für Hausdurchsuchungen hätte man 2015 auf Basis der Anzeige nicht bekommen, so die Ex-Post-Vermutung der WKStA.

In der Aufsicht teilt man diese Ansicht nicht. Es sei bei den Vorwürfen ja nicht um Bankgeschäfte gegangen, sondern um Delikte wie Untreue oder Betrug – und für deren Aufklärung seien die Staatsanwaltschaften zuständig und nicht die Bankenaufsicht.

Haftet der Staat für Schäden?

Komplexe Themen, aber wichtige: Schließlich steht die Frage der Amtshaftung der Republik für etwaige Schäden aus der Arbeit der OeNB im Raum. Und die hat die Commerzialbank ab 1995 sieben Mal geprüft. Ihre (erfundenen) extrem hohen Einlagen bei anderen Instituten etwa fielen den Prüfern nicht auf. Eher hat die OeNB_die Burgenländer für ihre vermeintlichen Interbankguthaben 2015 gelobt: Sie hätten die Risikovorschriften erfüllt, nur bei österreichischen Banken verlangt und gut diversifiziert. (Renate Graber, 29.9.2020)