Die Modenschau von Prada, sie wäre das Ticket der Saison gewesen. Seit das italienische Modehaus den Belgier Raf Simons im vergangenen Februar als Co-Designer von Miuccia Prada aus dem Hut zauberte, fieberte die Branche dem Event in Mailand entgegen. Viele Fragezeichen standen im Raum: Können die bourgeoise Moderevoluzzerin Miuccia Prada und der empfindsame Mister Simons wirklich zusammenarbeiten? Toppt die erste gemeinsame Kollektion womöglich alles, was die beiden Kritikerlieblinge zuvor gemacht haben? Könnte die Paarung zweier Superstars der Mode ein Modell für die Zukunft einer gebeutelten Branche sein?

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Prada zeigte die erste gemeinsame Kollektion von Raf Simons und Miuccia Prada digital.
Foto: Reuters/Prada H.O.

Es kam anders. Raf Simons Debüt verzichtete auf Stars, Influencer, schwarze Limousinen und den obligatorischen Fan-Auflauf vor der Fondazione Prada. Von einer Laufstegshow mit Gästen wurde kurzfristig abgesehen, die Show auf prada.com online gezeigt. Knapp 14 Minuten dauerte die digitale Präsentation, danach beantworten Miuccia Prada und Raf Simons in einem Video zuvor eingeschickte Fragen.

Die Mode des Doppels: eine praktikable Uniform für das Pendeln zwischen Homeoffice und Supermarktbesuch. Simons steuerte Hoodies, bedruckt mit Prints des Künstlers Peter de Potter, Miuccia Prada strapazierfähiges Nylon in Form von Mänteln und Rucksäcken bei.

Eine echte Überraschung war das Onlineszenario nicht. Giorgio Armani hatte bereits im Februar am letzten Tag der Modewoche eine Show ohne Zuschauer abgehalten. Die Entscheidung des Mittachtzigers sollte sich als visionär erweisen – insbesondere für eine Branche, die bisher glaubte, auf Bussi-Bussi und dicht besetzte Fashion-Shows nicht verzichten zu können. In den Monaten darauf legte die Corona-Pandemie die lombardischen Textilfabriken und die Büros der Modeunternehmen in der Hauptstadt Mailand lahm. Die Shops waren während der weltweiten Lockdowns wochenlang geschlossen, für das Jahr 2020 rechnet die italienische Luxusmodeindustrie mit Umsatzeinbrüchen um die zwanzig Prozent.

Weiß, Grau, Beige fürs Frühjahr: Giorgio Armanis Linie Emporio.

Auf die Probe gestellt

Nicht nur die Maskenpflicht in Innenräumen, sondern auch die sich wöchentlich ändernden Reisebeschränkungen stellten nun in Mailand die Modeschauen für das kommende Frühjahr auf die Probe. Journalisten und Einkäufer aus Asien, den USA, Frankreich sowie Mitarbeiter des Verlags Condé Nast blieben fern, die Camera Nazionale della Moda Italiana entschied sich für eine "phy-gitale" Modewoche, einen Mix aus physischen und digitalen Präsentationen. Doch nicht alle ließen sich auf das Konzept Fleckerlteppich ein. Während die einen luftige Modenschauen in den Arkadengängen der Mailänder Palazzi veranstalteten, verzichteten Marken wie Gucci, Bottega Veneta und Jil Sander ganz auf die Teilnahme.

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Versace zeigte Unterwassermode...
Foto: Reuters/Versace

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... in einer digitalen Show.
Foto: Reuters/Versace

Anders Domenico Dolce und Stefano Gabbana. Man kann dem altgedienten Modeduo wirklich nicht vorwerfen, sich dem Virus zu ergeben: Das Unternehmen versucht weiterhin mit Laufstegspektakeln Optimismus zu verbreiten. Zuletzt zeigte man in Florenz eine Mega-Männermodenschau, in Mailand war die Marke nun wieder Teil des offiziellen Schauenkalenders und präsentierte seine Frühjahrskollektion wie immer im Headquarter vor Gästen. Doch während normalerweise vor der Show auf der Viale Piave Instagram- und Tiktok-Stars vor den Kameras der Streetstyle-Fotografen auf- und ablaufen, blieb diesmal so mancher der Fashion Week fern – wie etwa die Influencerin Chiara Ferragni. Sie wolle keine Menschenaufläufe verursachen, verkündete die Italienerin auf der Plattform Instagram. Die reduzierte Gästeschar freute der entspannte Einlass, bei Dolce & Gabbana stellte man sich in aller Ruhe zum Fiebermessen an, manche stülpten sich den der Einladung beigelegten Mund-Nasen-Schutz der Marke über.

Zuschauer auf Abstand

Innen nahmen die maskierten Gäste im gebotenen Abstand auf bereitgelegten Kissen Platz. Die Models marschierten in Patchwork-Kleidern und Shorts mit Blumen- und Pünktchenprints vorbei. Der Mund-Nasen-Schutz, der in Mailand sogar auf den Straßen getragen wird, schaffte es weder bei Dolce & Gabbana noch in einer anderen Kollektion auf den Laufsteg. Es sah ganz danach aus, als werde in Mailand an der Hoffnung festgehalten, dass der Spuk im kommenden Frühjahr vorbei ist.

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Patchworkmuster bei Dolce & Gabbana.
Foto: Reuters/Dolce & GAbbana H.O.

Dass das Unternehmen seine Kollektion einmal mehr der Insel Sizilien, der Heimat Domenico Dolces, widmete, verwunderte wenig. Das Spiel der italienischen Modehäuser mit nationaler Identität war in dieser Saison omnipräsent. Die Show von Max Mara, seit über 30 Jahren hat das Unternehmen mit Ian Griffiths einen britischen Designchef, wurde von einem Hit der lombardischen Sängerin Mina eröffnet, Designerin Veronica Etro schwelgte mit Shorts, Bustiers und nostalgischen Neunzigerjahre-Prints in Erinnerungen an Familienurlaube auf Ischia und Capri, sogar bei der römischen Marke Fendi, die längst zum französischen Luxuskonzern LVMH gehört, wurde der Einladung eine gebrandete Pastapackung beigelegt und "La Famiglia" gefeiert, bevor Silvia Venturini-Fendi demnächst das Design der Damenkollektion an Kim Jones (der in Mailand im Publikum saß) weitergibt.

Max Mara setzte auf praktische Parkas mit Tunnelzug.
Foto: Max Mara

Aber nicht nur auf den Laufstegen, auch in der Mailänder Innenstadt wurde die heimische Mode hochgehalten: Das Kaufhaus Rinascente in Reichweite des Doms hatte unter dem Slogan "Made for Italy" eine Themenwoche ausgerufen – in den großen Schaufenstern stellten diesmal junge italienische Modelabels aus.

Unter den Gästen bei Fendi: Designer Kim Jones, der im kommenden Frühjahr seine erste Damenkollektion für Fendi zeigt, und Popstar Rita Ora.
Foto: fendi

So manchen ließ die Krise umdenken. Der Designer Arthur Arbesser hatte seine Frühjahrskollektion zwar in seinem Atelier feinsäuberlich auf Stangen gehängt, auf eine Show verzichtete er diesmal. Erst im Jänner während der Männermodewoche wird er seine Hemden mit Rotkraut-Print und die Blusen mit dem Op-Art-Muster öffentlich präsentieren. Wenn alles gutgeht, wird Arbessers Kollektion kurze Zeit später in den Läden hängen.

(Anne Feldkamp, 28.9.2020)

Grungelooks in Zeiten von Corona bei Sportmax.
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