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Vom Server bis zum Smartphone, vom Fernseher bis in die Cloud: Längst ist Linux das klar dominierende Betriebssystem geworden. Doch es gibt auch eine Ausnahme: Im Desktop-Bereich wehrt sich Microsoft weiter erfolgreich gegen den Ansturm der Open-Source-Plattform.Von einzelnen Nischen abgesehen – etwa dem US-Bildungsbereich in dem das Linux-basierte Chrome OS klar dominiert – spielt das freie Betriebssystem am Desktop bislang nur eine Nebenrolle.

Prognose

Das könnte sich aber in Zukunft ändern und zwar nachhaltig – zumindest wenn es nach der Einschätzung des bekannte Open Source Evangelist Eric S. Raymond geht. In einem aktuellen Blogeintrag zeigt sich dieser davon überzeugt, dass Microsoft langfristig auf Linux als Basis für sein Desktop-Betriebssystem wechseln wird – und zwar aus recht simplen geschäftlichen Überlegungen.

In einer Welt, in der Linux dermaßen dominiere, sei die Entwicklung von Windows ein kaum mehr zu rechtfertigender Kostenfaktor. Die PC-Verkäufe stagnieren seit Jahren, langfristig gehen sie tendenziell sogar zurück. Im Gesamtgeschäft von Microsoft spiele das Betriebssystem dadurch eine immer unwichtigere Rolle – und zwar auch in finanzieller Hinsicht. In neuen Bereichen – wie dem Smartphone-Sektor – konnte das Unternehmen nie Fuß fassen, dort dominiert das ebenfalls Linux-basierte Android.

Strategiewechsel

Entsprechend habe das Unternehmen vor einigen Jahren die eigene Strategie umgedacht. Der Fokus liege nun ganz und gar auf Services, worauf diese laufen sei dabei unerheblich. Nirgendwo zeigt sich dies so deutlich wie in der Cloud: Selbst bei Microsofts Azure laufen schon seit Jahren mehr Linux- als Windows-Systeme. Und am Smartphone versucht Microsoft zunehmend Android für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren – und zwar sowohl mit Partnerschaften mit Firmen wie Samsung als auch mit eigenen Geräten wie dem Surface Duo.

Ein weiteres Anzeichen sieht Raymond im wachsenden Linux-Support durch Microsoft – und zwar in alle Richtungen. Mit dem Windows Subsystem for Linux (WSL) ist es möglich, Linux-Anwendungen unter Windows auszuführen – in naher Zukunft soll dies sogar mit Programmen mit grafischer Oberfläche gehen. Gleichzeitig arbeitet Microsoft an Linux-Portierungen einiger seiner wichtigsten Programme. Das Kollaborations-Tools Teams gibt es bereits, in Kürze soll auch der Browser Edge hinzukommen. Weitere Programme dürften nach und nach folgen.

Ausblick

Insofern wäre es für Microsoft nur logisch, irgendwann einmal auf eine Linux-Basis umzustellen, und alte Windows-Programme über eine Emulationsschicht zu unterstützen, folgert Raymond aus dieser Entwicklung. Damit würde man sich einen erheblichen Teil der Entwicklungskosten sparen, und könnte direkt von den Fortschritten der weltweiten Linux-Community profitieren – und dazu gehören auch viele andere, große Softwarehersteller. Irgendwann würde man sich dann auch von dieser Kompatibilitätsschicht verabschieden, und es werde nur mehr neue Anwendungen geben, die direkt die Linux-Schnittstellen verwenden, ist der Open-Source-Verfechter überzeugt. Damit hätte Linux dann auch die "Desktop-Kriege" gewonnen. Nicht indem man Windows ersetzt sondern indem man es aufnimmt.

Widerspruch

Es gibt allerdings auch Argumente, die gegen Raymonds Prognose sprechen. Und dabei sticht eines heraus: Die Desktop-Kunden von Microsoft finden sich vor allem im Unternehmensbereich, und für diese ist Stabilität das oberste Gebot. Etwas, das der Windows-Hersteller entsprechend zur Priorität erklärt hat. Ein Wechsel auf eine neue Plattform ist hingegen immer mit allerlei Problemen verbunden. Selbst wenn Microsoft also tatsächlich einmal das klassische Windows ablöst, wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis das Ganze wirklich spruchreif ist. (apo, 29.9.2020)