In den Ballungsräumen Wien und Graz übersteigt die aktuelle Neubauproduktion bereits die Nachfrage.

Foto: Putschögl

Der Wohnbau in Österreich läuft weiterhin auf sehr hohem Niveau, wenn auch derzeit natürlich gedämpft durch die Corona-Krise. Im ersten Quartal 2020 gingen die Baubewilligungen um 25 Prozent zurück, für das Gesamtjahr sei ein Rückgang von rund 20 Prozent zu erwarten, sagt Wohnbauforscher Wolfgang Amann (Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen), der im Auftrag des WKO-Fachverbands Steine-Keramik alljährlich die Wohnbauzahlen erhebt, zum STANDARD. "Die große Frage ist: Wo wird sich das Nachkrisenniveau einpendeln?"

Das Vorkrisenniveau war beachtlich: 2019 wurden österreichweit rund 79.000 Wohneinheiten baubewilligt. Damit wurde der Rekordwert von 2017 mit 82.000 Wohneinheiten knapp verfehlt, von einem Einbruch kann man aber nicht sprechen.

Wohnbauförderung geht konstant zurück

Es spricht einiges dafür, dass die Statistik 2020 nur eine Delle bekommt und es 2021 wieder bergauf geht. Der Experte nennt die ungebrochen starke Nachfrage nach Vorsorgewohnungen, überhaupt die starke Nachfrage nach Eigentumswohnungen in den Städten, die mittlerweile 50 Prozent des großvolumigen Neubaus ausmachen.

Von der Wohnbauförderung hat sich der Wohnbau hingegen einigermaßen entkoppelt; die Ausgaben dafür gehen in Österreich stetig zurück. "Zwanzig Jahre lang, von Mitte der 1990er- bis Mitte der 2010er-Jahre, war die Wohnbauförderung in weitgehend konstanter Höhe zwischen 2,4 und drei Milliarden Euro dotiert", so Amann. Doch seither sind die Ausgaben rückläufig; 2019 wurde nun sogar erstmals seit fast 30 Jahren die Zwei-Milliarden-Marke unterschritten, es wurden nur noch 1,99 Milliarden Euro für Wohnbauförderung ausgegeben, um vier Prozent weniger als 2018 und um 19 Prozent weniger als im Zehnjahresschnitt.

"Einfamilienhäuser zu groß"

Den Rückgang der Wohnbauförderung hält Amann schon länger für alarmierend – insbesondere deshalb, weil er vor allem den Eigenheimbau betrifft. Noch in den frühen 2000er-Jahren wurden 70 bis 80 Prozent aller Einfamilienhäuser mit Wohnbauförderung gebaut, mittlerweile sind es bundesweit nur noch 20 Prozent. "Wichtige Lenkungseffekte gehen da verloren, etwa hinsichtlich Energieeffizienz und Flächenverbrauch", so Amann. So legte die durchschnittliche Nutzfläche des Gesamtbestands (!) an österreichischen Einfamilienhäusern in den vergangenen zehn Jahren von 130 auf 140 Quadratmeter zu. "Das zeigt, dass Einfamilienhäuser heute viel zu groß gebaut werden." Amann plädiert dafür, Anreize für kompakteres Bauen zu schaffen, nach dem Vorbild der Vorarlberger und Tiroler Wohnbaufördersysteme, wo es mehr Geld gibt, wenn man kleinere Häuser bzw. Häuser auf kleinerem Grund baut.

Weniger Einfamilienhäuser werden in Österreich nämlich nicht gebaut: Seit Jahren bewegt sich die Zahl der Baubewilligungen in diesem Segment zwischen 15.000 und 18.000 Stück pro Jahr, 2019 waren es sogar 18.400, einer der höchsten Werte seit den 1980er-Jahren.

Freifinanzierter Bereich führend

Im mehrgeschoßigen Bereich spielt die Wohnbauförderung noch eine größere Rolle, aber auch längst nicht mehr jene dominierende, die sie einst einnahm. Das liegt vor allem auch am "irrwitzigen" freifinanzierten Bauboom in den Großstädten Wien und Graz, so Amann. Dort übersteigt die aktuelle Produktion bereits die Nachfrage. "Die Covid-19-Pandemie trägt zwar zu einer Belebung der Nachfrage bei. Der abnehmende demografische Druck sollte aber mittelfristig zu einer Stabilisierung der Neubauzahlen auf niedrigerem Niveau führen."

Knapp 45.000 Wohneinheiten wurden 2019 österreichweit in mehrgeschoßigen Wohnhäusern baubewilligt, für 19.700 davon gab es Förderzusicherungen. Der sogenannte "Förderungsdurchsatz" lag hier also bei knapp 44 Prozent. Das zeigt, wie sehr der freifinanzierte Wohnbau für den Neubauboom verantwortlich zeichnet.

"Sanierung als Job-Motor"

Weiterhin eher ein Schattendasein fristet die Sanierung. Die Wohnbauförderung in diesem Bereich ging 2019 weiter zurück und lag mit 470 Millionen Euro um ein Viertel unter dem zehnjährigen Schnitt. Sowohl Amann als auch Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des WKO-Fachverbands Steine-Keramik, sehen in der Ankurbelung der Gebäudesanierung nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, sondern auch zur Bekämpfung der Corona-bedingten Wirtschaftskrise. "Wenn die Wohnhaussanierung aus Klimaschutzgründen angekurbelt wird, könnte der Sektor mehr Beschäftigung generieren als vor der Krise – Beschäftigung, die in anderen Wirtschaftsbereichen vielleicht dauerhaft verloren gegangen ist", so Pfeiler. (mapu, 29.9.2020)