Foto: Zwerchfell Verlag

Ein Politthriller, der im Jahr 2042 angesiedelt ist, aber unverkennbare Anklänge an die Gegenwart hat: Das ist die erste Graphic Novel von Autor Philipp Spreckels und Zeichner Dave Scheffel-Runte aus Deutschland. Und sie beginnt auf eine der gängigen Arten, in der Thriller ins Rollen kommen: Ein Unbeteiligter wird durch einen Zufall in dunkle Umtriebe hineingezogen. Hauptfigur Noah Simmons stößt mit einem Unbekannten zusammen, der dabei einen Datenträger verliert. Und schon hält Noah den MacGuffin des Bands in Händen.

Als Noah ihn zu Lenny, einer befreundeten Hackerin, bringt, kann die nur feststellen, dass der Datenträger auf eine so ausgefuchste Weise verschlüsselt ist, dass er nur von der Regierung stammen kann. Sein Inhalt muss der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegen und entsprechend wertvoll sein. Unmittelbar danach wird Lenny verhaftet, während Noah mit knapper Not flüchten kann. Allerdings haben es ihre Widersacher nicht einfach mit irgendwem zu tun: Noah und Lenny dienten mal in derselben Einheit der Nationalgarde (ein Rückblick erklärt, warum Noah seitdem desillusioniert ist) und haben ihre militärische Expertise nicht verlernt. Im anstehenden Gerangel zwischen FBI, militärischen Spezialeinheiten und dem politischen Widerstand werden sie die auch brauchen.

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Explosives Setting

Deutlich origineller als der eigentliche Plot ist die Welt, in der er abläuft. 2032 ist der Yellowstone-Supervulkan ausgebrochen, drei Jahre später wurde Las Vegas von einem weiteren Vulkan verwüstet. Die Bewohner des amerikanischen "Heartland" wurden zwangsweise in die Küstenstaaten umgesiedelt und führen seitdem ein Leben im Prekariat.

Eine Spezialeinheit, die Yellowstone Territory Armed Forces, wacht darüber, dass niemand in das evakuierte Gebiet zurückkehren kann, das nur noch "die Zone" genannt wird und ganz in der Hand von Konzernen liegt. Und als wäre das noch nicht verdächtig genug, sorgt auch noch der sogenannte Cyberdome dafür, dass in der Zone keine Mobilkommunikation möglich ist. Man ahnt zwar schon früh, zu welchem Bild sich die Puzzlestücke zusammensetzen werden, aber bei einer Graphic Novel (oder einem Film) geht es ja nicht zuletzt darum, das auch zu sehen.

Yellowstone Comic

Die Bildebene

Und zu sehen gibt es hier (neben einer beeindruckenden Parade von Bärten bei den männlichen Protagonisten) so Einiges. In einer der gelungensten Sequenzen zischt ein Hightech-Zug an Kuppeln, einem schwebenden Frachtschiff, Skulpturen aus Autowracks und herumstelzenden Robotern vorbei, unterlegt mit folgendem Kommentar aus dem Off: "Jeder war seines Glückes Schmied ... und war er noch so sonderbar. Jetzt wird alles zentral gelenkt von den Konzernen und profitgeilen Drohnen. Ein Knopfdruck und ganze Landstriche bluten aus. Bis nichts mehr übrig bleibt."

Just dann also, wenn "Yellowstone" in den Bildern am stärksten in Richtung Science Fiction geht, wirft der Text einen nostalgischen Rückblick auf die Vergangenheit. Und das in einer Formulierung, die 1:1 die Klage eines heutigen Arbeiters sein könnte, der auf die Wirtschaftswunderzeit zurückblickt, als auch für die untere Mittelschicht noch alles möglich schien. Das bringt die Stoßrichtung von "Yellowstone" auf den Punkt: Genannt wird die Zukunft, gemeint die Gegenwart. Nicht von ungefähr beginnt der Band mit genau dem, was zum Zeitpunkt seines Erscheinens auch die reale Welt in Atem hält: dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf.

Optisch bewegt sich das Ganze irgendwo zwischen amerikanischer und frankobelgischer Comic-Tradition. Scheffel-Runte hält ein sehr striktes Farbschema ein: Pro Panel gibt es nur eine Farbe für das Setting und jeweils eine für den oder die Protagonisten. Dieser flächige Farbeinsatz erinnert mitunter ein wenig an Mike Mignola, abzüglich von dessen Düsternis und expressionistischer Verzerrung allerdings. Die Darstellungen selbst – etwa Proportionen oder Silhouetten – folgen einem Realismus, der aufs Notwendige reduziert und entsprechend prägnant ist.

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Wo es eng wird

Alles in allem legt das Duo Spreckels & Scheffel-Runte hier ein ansprechendes Graphic-Novel-Debüt hin, wenn auch kein perfektes. Mit der Komplexität der Story haben sie sich dann doch etwas übernommen, für all die angerissenen Aspekte reichte der vorhandene Platz einfach nicht aus. Darum werden beispielsweise Organisationen mit vermutlich tausenden Mitgliedern auf ein paar Figuren eingedampft, die dafür überall auftauchen. Systemkritik und theaterhafte Personalisierung auf einige wenige Bösewichte sind aber ein Widerspruch in sich.

Die Ausbeutung der Zone durch die Konzerne wird kaum gestreift, und am Schluss muss noch der Trick aus der Klamottenkiste geholt werden, eine Figur einen erklärenden Monolog halten zu lassen (Wie war das damals wirklich mit dem Vulkanausbruch?), um die Geschichte zu Ende bringen zu können. Kurz: Schön, wenn eine Graphic Novel als abgeschlossene Geschichte angelegt ist und man nicht zum Kauf einer nach oben offenen Reihe von Fortsetzungen genötigt wird. Diese Geschichte hätte aber noch etwas mehr Platz vertragen können.