Die Corona-Krise ist nicht vorbei. Ganz im Gegenteil, die zweite Welle an Infektionen rollt, nicht auszuschließen, dass doch noch irgendwann ein zweiter Lockdown folgt. Doch zunehmend versucht man sich an der Vermessung des Schadens. Die Statistik Austria hat am Montag etwa ihre Berechnungen zum Einbruch der Wirtschaftsleistung unmittelbar nach dem Lockdown im zweiten Quartal vorgelegt. Mit über 14 Prozent war er gewaltig. Wöchentlich werden die Zahlen der Arbeitslosigkeit referiert, auch sie sind mit aktuell über 400.000 Menschen ohne Job denkbar hoch. Die Krise machte sich auch in der Geldbörse und auf dem Konto der Österreicher bemerkbar, so die Statistiker. Das Arbeitnehmerentgelt fiel im zweiten Quartal 2020 um 7,2 Prozent (nominell, bereinigt) gegenüber dem ersten Quartal 2020 und um 6,2 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2019.

Die hohe Arbeitslosigkeit ist derzeit das größte Problem, das weitere nach sich zieht.

Doch diese Betrachtung reiche nicht aus, so die Arbeiterkammer. Wichtige Aspekte wie Gesundheit, Bildung, Gleichstellung, Verteilungsgerechtigkeit oder ökologische Nachhaltigkeit würden nicht berücksichtigt. Die AK legte deswegen am Dienstag bereits zum dritten Mal ihren Wohlstandsbericht vor. In fünf Punkten und je sechs Indikatoren haben sich die AK-Experten angeschaut, wo ihrer Ansicht nach jetzt besonders der Schuh drückt und welche Schlüsse daraus abzuleiten wären.

Die Folgen der Pandemie seien bereits zu spüren, so AK-Ökonom Markus Marterbauer. Die Krise werde zu einem deutlichen Rückschlag in der nachhaltigen Entwicklung von Wohlergehen und Wohlstand führen. Nur acht der insgesamt 30 Indikatoren werden im Beobachtungszeitraum 2016 bis 2021 positiv bewertet. Erstmals wurden in keiner der fünf Zieldimensionen – fair verteilter materieller Wohlstand, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, Lebensqualität, intakte Umwelt und ökonomische Stabilität – im Beobachtungszeitraum Fortschritte erzielt.

Verteilungsgerechtigkeit

Als positiv bewertet die AK die sehr hohe Arbeitsproduktivität und hohe real verfügbare Einkommen in Österreich, hohe Lebenszufriedenheit und körperliche Sicherheit, geringe Armutsgefährdung, hohe Forschungsausgaben und Erwerbsquoten, einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr, entwickelte Mitbestimmung, vergleichsweise niedrige Feinstaubbelastung und ökonomische Stabilität.

Jüngere tun sich schwer damit, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Andere, die ihren Job verlieren, schaffen den Wiedereinstieg ohne entsprechende Umschulungen vielleicht gar nicht mehr.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Schwachpunkte wie eine hohe Vermögenskonzentration oder eine ungleiche Einkommensverteilung würden durch die Krise aber eher noch verstärkt, warnt Marterbauer. Zwar sei Österreich im internationalen Vergleich relativ egalitär, "aber dadurch, dass von der Krise vor allem wirtschaftlich schwächere Gruppen betroffen sind, wird die Spreizung in der Einkommensverteilung deutlich aufgehen", sagt Marterbauer.

Ziel Vollbeschäftigung

Besonders betroffen ist der Arbeitsmarkt mit so vielen Arbeitslosen wie noch nie. Die AK befürchtet (wie berichtet), dass sich ein Teil dieser Arbeitslosigkeit verfestigen wird, wenn nicht mit viel Power wie etwa einer Qualifizierungsoffensive oder auch Arbeitszeitverkürzung gegengesteuert wird. Man dürfe das Ziel der Vollbeschäftigung "auch in der Krise nicht aus den Augen lassen, auch wenn die Vollbeschäftigung aktuell sehr weit entfernt scheint", sagt Silvia Hruska-Frank, stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialpolitik in der AK. Wichtig sei auch die Anerkennung, es reiche nicht, "in der Krise zu klatschen für diejenigen, die die Leistungsträgerinnen sind, sondern es muss sich auch in der Bezahlung niederschlagen".

Wichtig seien jetzt zudem öffentliche Investitionen in den Ausbau des Schienenverkehrs und die Wärmedämmung von Gebäuden sowie höhere Subventionen für den Ausbau von erneuerbarer Energie, ergänzt Sylvia Leodolter, Leiterin der AK-Abteilung für Umwelt und Verkehr.

Mehr Tempo

Alles in allem gelte es jetzt, ein höheres Tempo an den Tag zu legen und Geld in die Hand zu nehmen und gezielt zu investieren, so die AK-Experten: in Bildung, Umschulungen, die Ausstattung des AMS mit Ressourcen, Umwelt und Klima. Die Staatsschulden würden zwar massiv steigen, man sollte deswegen aber in Österreich und Europa nicht zu früh einen Konsolidierungspfad einschlagen, so Marterbauer. Verschulden könne sich der Staat derzeit sehr billig. Und wie soll das alles finanziert werden? Die Vorschläge sind bekannt: Um den Wohlstand zu sichern, sei es notwendig, "stärker ganz oben anzusetzen und progressive Abgaben auf Vermögen, Erbschaften, Spitzeneinkommen und Dividenden zu setzen, die einen wesentlichen Beitrag für einen Ausgleich der Lasten leisten sollten."

Auch davon, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Schulden wieder abzutragen, hat Marterbauer eine exakte Vorstellung: "Wir werden die Bundesregierung daran messen, wie rasch man bei der Arbeitslosigkeit auf das Niveau von 2019 – mit durchschnittlich 300.000 Arbeitslosen – kommt. Dann kann man die Staatsausgaben zurückfahren." (Regina Bruckner, 29.9.2020)