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Dieses Bild des armenischen Verteidigungsministeriums zeigt einen Soldaten, der auf aserbaidschanisches Gebiet feuert.

Foto: Reuters/ Armenian Ministry of Defence

Stepanakert/Baku/Eriwan – Im wiederaufgeflammten Kampf um die Kaukasusregion Bergkarabach haben sich Armenien und Aserbaidschan gegenseitig den Beschuss der Grenzregionen zwischen den beiden Ländern – kilometerweit von Bergkarabach entfernt – vorgeworfen. In der Stadt Wardenis sei dabei ein Zivilist getötet worden, erklärte das armenische Außenministerium am Dienstag.

Es handelte sich demnach um das erste Todesopfer auf armenischem Territorium, weit von der Konfliktregion entfernt. Zuvor hatten beide Seiten schwere Artillerie in Stellung gebracht. Auch in der Nacht waren die Gefechte fortgesetzt worden.

Drohnenangriffe und "massives Artilleriefeuer"

Ein Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums schrieb auf Facebook von "massivem Artilleriefeuer" aserbaidschanischer Truppen auf armenische Stellungen. Die Truppen bereiteten sich demnach auf einen weiteren Angriff vor. Bei einem Drohnenangriff auf armenisches Gebiet sei ein nicht zum Militär gehörender Bus in Flammen aufgegangen, erklärte die armenische Regierung. Ob der Zivilist dabei getötet wurde oder bei einem anderen Angriff, war zunächst unklar.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte seinerseits, mit den Angriffen auf einen "armenischen Versuch einer Gegenoffensive" in Bergkarabach reagiert zu haben. Es verwies auch auf heftige Kämpfe in der Nacht. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev teilte am Dienstag laut der Agentur Interfax mit, dass seit Sonntag bereits zehn aserbaidschanische Zivilisten getötet worden seien.

Schwerste Kämpfe seit 2016

Bergkarabach liegt in Aserbaidschan und hatte sich während eines Krieges in den 1990er-Jahren von dem Land losgesagt, wird aber von keinem Staat als unabhängige Republik anerkannt. Obwohl das mehrheitlich christliche Armenien und das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan 1994 einen Waffenstillstand schlossen, werfen sie einander regelmäßig Angriffe rund um Bergkarabach mit seinen etwa 150.000 Einwohnern und entlang der gemeinsamen Grenze vor. Am Sonntag flammten die Kämpfe wieder auf; es sind die schwersten seit 2016. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken gaben sich dafür gegenseitig die Schuld. Bis Dienstag wurden dabei mindestens 114 Menschen getötet.

Die Kämpfe haben Sorgen um die Stabilität des Südkaukasus geschürt, durch den wichtige Gas- und Ölpipelines verlaufen. Ein ausgewachsener Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan könnte die Regionalmächte Türkei und Russland in den Konflikt hineinziehen: Armenien hat ein Verteidigungsbündnis mit Russland, während die Türkei hinter der türkischen Bevölkerungsgruppe in Aserbaidschan steht.

Sorge vor Krieg

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, rief beide Staaten zu einem Waffenstillstand auf. "Ich bin sehr beunruhigt über die Todesfälle und Verletzungen, über die berichtet wird, und die Schäden an Eigentum und Infrastruktur", sagte Bachelet am Dienstag. Auch die ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler äußerte ihre "große Sorge vor einem Krieg". Österreich müsse gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft "alles dafür tun, damit dieser beginnende Krieg sofort gestoppt wird und eine Rückkehr zum Dialog möglich ist", forderte die Vorsitzende der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Österreich-Südkaukasus auf Facebook.

Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Diplomatenkreisen erfuhr, beschäftigt sich der UN-Sicherheitsrat am Dienstag ab 23 Uhr mit dem Konflikt. Das Treffen findet demnach hinter verschlossenen Türen statt. International besteht die Befürchtung, dass sich der Konflikt in der Region ausweiten könnte. Im Südkaukasus ringen Russland und die Türkei um Einfluss. (APA, dpa, 29.9.2020)