Die österreichische Hilfslieferung hat es in den Flieger und nach Athen, aber noch nicht nach Lesbos geschafft.

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Lesbos/Wien – Zwar hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) vor knapp zwei Wochen die Hilfslieferungen für Geflüchtete aus dem abgebrannten Camp Moria persönlich in die griechische Hauptstadt Athen begleitet – auf der Insel Lesbos sind die 55 Tonnen Hilfsgüter, darunter 400 Familienzelte, aber noch nicht angekommen, berichtete das Ö1-"Mittagsjournal" am Dienstag. Das Rote Kreuz kritisierte indes die prekären Zustände in dem neu aufgebauten Lager auf der Ägäis-Insel.

Vorbereitungen auf Winter

Als eines der ersten Länder sagte Österreich nach dem verheerenden Brand in Moria, durch den rund 13.000 Menschen temporär obdachlos wurden, Hilfe zu. Medienwirksam wurden die Zelte für 2.000 Personen, rund 2.000 Hygienepakete, 200 Zeltheizungen, 400 Zeltbeleuchtungen, 7.400 Decken sowie 2.700 aufblasbare Matratzen, Polster und Bettwäsche mit einer großen russischen Transportmaschine nach Athen geflogen. Dort seien sie, ebenso wie Hilfslieferungen anderer Staaten, bis dato eingelagert, berichtete die österreichische Botschafterin in Athen, Hermine Poppeller, auf Ö1.

Derzeit werde weiterer Grund aufbereitet, "damit man dort Zelte aufstellen kann, damit die Zelte auch den nächsten großen Regen überleben und wirklich ein winterfestes Quartier bieten", so Poppeller. Das dauere seine Zeit, dann könne die nächste Tranche geliefert werden. Auch etwa die Decken und Hygienepakete sollen erst "tranchenweise" nach Lesbos geliefert werden.

Rotes Kreuz: Rudimentäre Infrastruktur

Lidwina Dox, die derzeit für das Österreichische Rote Kreuz auf Lesbos ist, bezeichnete die Infrastruktur in dem neu aufgebauten Flüchtlingslager Kara Tepe als "sehr, sehr, sehr rudimentär". Es fehle noch "an fast allem", so gebe es etwa noch keine einzige Dusche, erzählte Dox in einem Interview mit dem Ö1-"Mittagsjournal".

Dass die griechische Regierung erst am Montag rund 700 Asylberechtigte von Lesbos auf das Festland gebracht habe, sei ein "absolut ermutigendes Zeichen", aus humanitärer Sicht sei es "sehr begrüßenswert, wenn diese Prozesse voranschreiten", betonte die Rotkreuz-Expertin. Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge auf Lesbos seien "sehr menschenunwürdig" und würden vor allem im Winter noch "extrem schwierig" werden.

Ärzte ohne Grenzen warnt vor Katastrophe auf Samos

Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnt indes vor einer weiteren Katastrophe auf der Insel Samos. Angesichts der gefährlichen Bedingungen und des Anstiegs von Covid-19-Fällen im Lager Vathy "beobachten wir genau die gleichen Bedingungen wie in Moria, und wir warnen vor einem sich zusammenbrauenden Sturm", warnte der MSF-Projektkoordinator der Insel, Jonathan Vigneron. In dem Flüchtlingscamp habe Griechenland 4.500 Menschen "wie Tiere hineingepfercht", mehr als 1.000 Kinder würden im Dreck und Müll zwischen Ratten und Skorpionen leben.

Während der vergangenen Monate habe sich der Gesundheitszustand und die psychische Gesundheit vieler Patienten "enorm" verschlechtert, schilderte Vigneron. Derzeit gebe es über 50 positive Coronafälle, doch keine klaren Informationen von den zuständigen Behörden, wie damit umgegangen werden soll.

Kernfrage bleibt Thema

Der Brand auf Lesbos sowie die daraufhin wieder aufgeflammte Diskussion um die Verteilung beziehungsweise Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen waren auch Thema beim außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats am Dienstag. SPÖ-Vorsitzende und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner forderte dabei erneut die Aufnahme von Kindern als "Akt der Menschlichkeit". Gleichzeitig kritisierte sie Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) für dessen Aussage, das "Geschrei nach Verteilung" könne nicht die Lösung in der Flüchtlingsfrage sein. Das sei "nicht die Sachlichkeit", die man sich von einem Außenminister erwarten könne, so die SPÖ-Chefin in einer Aussendung. (APA, 29.9.2020)