Aedes aegypti heißt die Mücke, die Gelbfieber, Zika und das Denguefieber überträgt.

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Von jeher leiden die Einwohner des Sunshine State Florida unter lästigen Mücken. Im ganzjährig warmen und feuchten Klima vermehrt sich allerdings auch die aus den Tropen eingewanderte Gelbfiebermücke Aedes aegypti prächtig, die Viruserkrankungen wie Gelbfieber, Zika, Chikungunya und Denguefieber überträgt. Gegen diese mitunter tödlichen Infektionskrankheiten gibt es keine Medikamente, man kann nur versuchen, die Symptome zu lindern.

Um Krankheitsausbrüche zu verhindern, sprüht man in Florida seit Jahrzehnten regelmäßig Insektizide. Trotz dieser Maßnahmen kommt es immer wieder zu Übertragungen. "Weltweit nehmen die Resistenzen gegen Insektizide bei zahlreichen Mückenarten zu. Manche Arten sind mittlerweile multiresistent", erklärt Marc Schetelig vom Institut für Insektenbiotechnologie der Universität Gießen. Hinzu kommen ökologische Bedenken, da der weitverbreitete Einsatz synthetischer Insektizide mit dem weltweiten Rückgang von Insekten in Verbindung gebracht wird.

Umstrittenes Experiment

Vor diesem Hintergrund haben die Umweltschutzbehörde der Vereinigten Staaten sowie der Bundesstaat Florida im Frühsommer ihre Genehmigung für ein umstrittenes Experiment erteilt: Das britische Unternehmen Oxitec darf mehrere Millionen gentechnisch veränderte (gv) Gelbfiebermücken freisetzen, um die Population ihrer wildlebenden Artgenossen drastisch zu reduzieren.

Bei der Methode von Oxitec handelt es sich um eine extreme Form der Geburtenkontrolle: Freigesetzt werden ausschließlich männliche Gelbfiebermücken namens OX5034, denen zwei neue Gene ins Erbgut eingefügt wurden: ein Markergen, mit dem sich die Ausbreitung der freigesetzten Tiere kontrollieren lässt, und ein Gen, das gezielt zum Tod des weiblichen Nachwuchses führt.

Paaren sich OX5034-Mücken mit wildlebenden Weibchen, überlebt also nur der männliche Nachwuchs. Da der Weibchenanteil mit jedem Paarungszyklus schrumpft, reduziert sich die Mückenpopulation mit der Zeit erheblich. Nach einigen Generationen verschwinden auch die OX5034-Männchen aus der Natur, da die Mendelschen Regeln greifen, also nur die Hälfte der Männchen die OX5034-Gene erben.

"Grundsätzlich ist das eine umweltfreundliche und sehr gezielte, weil artspezifische Methode der Schädlingsbekämpfung", sagt Ernst Wimmer von der Universität Göttingen. Oxitec hat seit 2009 über eine Milliarde Mücken auf den Caymaninseln und in Teilen Panamas und Brasiliens freigelassen. Die Populationen der freilebenden Gelbfiebermücken brachen um über 90 Prozent ein.

Strahlendosis

In Florida könnten 2021 über 750 Millionen Mückenmännchen freigesetzt werden. Menschen kommen mit den gentechnisch veränderten Mücken nicht in Kontakt, da die Mückenmännchen nicht stechen können und sich von Pflanzensaft ernähren.

Die Methode kann als Weiterentwicklung der sogenannten Sterilen-Insekten-Technik (SIT) betrachtet werden, die weltweit seit rund 70 Jahren bei verschiedenen Insektenarten zum Einsatz kommt. Dabei sterilisieren Biologen gezüchtete Insektenmännchen durch radioaktive Strahlung.

Farmer setzen die sterilen Männchen in Massen frei, um die wildlebenden männlichen Artgenossen zu verdrängen. Paaren sich die Weibchen mit den sterilen Männchen, produzieren sie keinen Nachwuchs, die Schädlingspopulation schrumpft.

Die klassische SIT ist eine überaus erfolgreiche Methode, mit der etwa die Tsetsefliege auf Sansibar ausgerottet wurde und die bis heute täglich bei der Bekämpfung der weltweit verbreiteten Mittelmeerfruchtfliege, ein gefürchteter Schädling im Gemüse- und Obstanbau, zum Einsatz kommt.

Jedoch sind nie alle Männchen steril. "Die Strahlendosis lässt sich aber nicht beliebig erhöhen, weil die Tiere dann Schaden nehmen und die Freilandweibchen von den Fabrikmännchen dann nichts mehr wissen wollen", erklärt Wimmer.

Hinzu kommt, dass die klassische SIT sich nicht bei jeder Insektenart anwenden lässt. "Man braucht ein geeignetes System, um ausschließlich Männchen in Massen züchten zu können", so Schetelig, der wie Wimmer auch an der genetischen Weiterentwicklung SIT-ähnlicher Systeme in Schädlingen forscht. Hier kommt die Gentechnik ins Spiel, mit der sich das weibliche Geschlecht mit genetischen Tricks ausknipsen lässt.

Unbehagen der Bürger

Oxitecs Freisetzungsplänen schlägt in Florida Misstrauen verschiedener Umweltgruppen entgegen. Vielen Bürgern bereitet der Gedanke an durch die Luft schwirrende gv Mücken Unbehagen – das zeigen die Kommentare, die zum Genehmigungsantrag von Oxitec bei der US-Umweltbehörde eingingen: 31.174 Kommentare sprachen sich gegen, 56 Kommentare für die Versuche aus.

Die Befürworter sahen Vorteile für Gesundheit und Umwelt, vor allem im Einsparen unspezifischer Pestizide. Viele Gegenstimmen sorgen sich um unvorhergesehene ökologische Konsequenzen.

Die US-Umweltbehörde hat in einem öffentlich einsehbaren 150-Seiten-Papier ausführlich Stellung zu den eingegangenen Kommentaren genommen und kommt in ihrer ebenfalls einsehbaren Risikoanalyse zu dem Ergebnis, dass Oxitecs Versuche "keine unangemessenen nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt" haben.

Frage nach Alternativen

"Die Frage ist doch: Was haben wir für Alternativen? Wollen wir mehr Todesfälle durch Malaria und Dengue in Kauf nehmen? Wollen wir noch höhere Konzentrationen unspezifisch wirkender Insektizide tonnenweise versprühen und dabei den Tod anderer Arten und Belastungen für Boden und Umwelt verursachen? Oder wollen wir es mit einer gezielten Methode versuchen?", fragt Schetelig.

"Falls die Methode in der von Oxitec dargestellten Weise, das heißt, mit lediglich kurzzeitiger Präsenz der gv Mücken in der Umwelt, funktioniert, stellt sie eine Alternative zu Insektiziden dar", sagt Bernd Giese vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Uni für Bodenkultur in Wien, hält die Versuche von Oxitec aber grundsätzlich für verfrüht.

Ähnlich sehen es mehrere Wissenschafter, die in einem Artikel in The Conversation für eine breitere Risikobewertung durch unabhängige Drittforscher plädieren und die fehlende Transparenz bei der Entscheidung der US-Umweltbehörde kritisieren. Gerade weil die Methode ein vielversprechendes Instrument im Kampf gegen Krankheiten sei, wäre eine offene Entscheidungsfindung erforderlich.

Im August hat nun auch die für die Mückenbekämpfung zuständige Behörde, der Florida Keys Mosquito Control District, für die Freisetzungsexperimente gestimmt. Und auch in Brasilien, wo Oxitecs Versuche aufgrund des Leidensdrucks durch die Zika- und Dengue-Infektionen einen hohen Grad an Zustimmung erfahren, sind weitere Freisetzungsexperimente geplant. (Juliette Irmer, 4.10.2020)