Zoodirektor Michael Mitic mit einem der vier Kattas.
APA/GEORG HOCHMUTH

Ohrringe, Rucksack und sonstige Anhängsel ablegen (die könnten geklaut werden), Hände desinfizieren, durch die Sicherheitsschleuse – und los geht’s. Auf der Galerie des neuen Primatengeheges im Haus des Meeres, die zur "Begegnungszone" erklärt wurde, hängen ganz entspannt die Katta-Brüder in den Ästen.

"Einfach nichts tun, nur die Weintrauben halten oder auf die Handfläche legen", lautet die Anweisung der Tierpflegerin. Aber noch bevor das Futter bereit ist, landet mit einem Satz schon das erste Exemplar auf der Schulter, ein zweites folgt bald. Sogar die "Chefin", wie ein flinkes Lemuren-Weibchen intern genannt wird, kommt auf einen Sprung vorbei.

Neugierige Affengang

Das Erlebnis, mit den äußerst neugierigen grauen Kattas mit dem langen, schwarz-weiß geringelten Schwanz auf Tuchfühlung zu gehen, können Besucher des Haus des Meeres ab sofort gegen Aufpreis buchen. Allerdings Corona-bedingt nur in Gruppen, die auch in einem Haushalt zusammenleben.

Dabei sind die frechen Katta-Exemplare, deren Genossen auf der Insel Madagaskar heimisch und aus dem gleichnamigen Film bekannt sind, gar nicht so exotisch: Die vier Brüder wurden nämlich im Tiergarten Schönbrunn geboren, bis sie dort aus der Gruppe herausflogen und in den Zoo nach Augsburg übersiedelten. Aber auch dort wurden sie den anderen Tieren irgendwann zu viel, wie Michael Mitic, Direktor des Haus des Meeres, erzählt: "Wir haben den Ex-Wienern also Asyl geboten."

Der neue Balkon im 9. Stock ist sowohl für Besucher als auch für Tiere zugänglich.
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Die Katta-Gang teilt sich nun mit einem Schwarze-Lemuren-Mutter-Tochter-Gespann, einem Feinstreifenmungo und einer Bande von schon lange im Haus lebenden Riesenschildkröten den "Madagaskar-Bereich". Er ist ein Teil des pompösen Zubaus des Zoos in Wien-Mariahilf, der gestern, Dienstag, eröffnet wurde.

Spektakulärer Ausblick

Inkludiert in der neuen Bleibe ist ein spektakulärer Ausblick, nicht nur durch die Glasfront, sondern auch von einem bepflanzten Balkon aus, der sowohl den Besuchern als auch den Tieren erlaubt, frische Luft zu schnappen – im neunten Stock, über den Dächern von Wien. Bei Schönwetter werden spezielle Klappen und Türen geöffnet, sodass sich auch Schildkröten und Lemuren am Balkon sonnen können.

Im zweiten Teil, der sich wie das gesamte neue Gehege über eine Höhe von acht Metern erstreckt, können sich drei Komodowarane auf knapp 100 Quadratmetern ausbreiten. Die drei Jungtiere namens Hurricane, Chaos und Gozilla hatten den Umzug dringend nötig: Sie haben ihr Gewicht innerhalb der zwei Jahre, seit sie im Zuge eines europäischen Erhaltungszuchtprogramms ans Haus des Meeres gekommen waren, versechsfacht und auch ordentlich an Länge zugelegt – dabei sind sie längst noch nicht ausgewachsen.

Die Komodowarane können sich jetzt auf einer größeren Fläche samt Bambushütte austoben.
DANIEL ZUPANC/Haus des Meeres

Um sie möglichst schonend und stressfrei von ihrem alten Terrarium im ersten in den neunten Stock übersiedeln zu können, wurden die Komodowarane – durchaus potenziell gefährliche und wehrhafte Raubtiere – trainiert, an der Leine zu gehen und Lift zu fahren. "Es hat wie am Schnürchen geklappt", berichtet Mitic. "Alle drei sind ganz brav in nicht einmal einer Stunde in die neue Anlage marschiert, haben unmittelbar danach gefressen und das Gehege erkundet."

Beheizte Veranda

Zu entdecken gab es einiges: Die Anlage strahlt mit ihrer Bambushütte samt strohgedeckter, mit Infrarotlampen beheizter Veranda indonesisches Flair aus (der ursprünglichen Heimat der Echsen), daneben sprudelt ein Bächlein in ein kleines Wasserbecken. "Überraschenderweise graben sie sich vier bis fünf Meter lange Höhlen in den Sand, wo sie sich verstecken", berichtet Reptilien-Kurator Robert Rinner.

Der Flakturm wurde um einen 50 Meter hohen und 9.000 Tonnen schweren Stahlbetonbau erweitert.
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Zugänglich ist das erweiterte neunte Stockwerk nunmehr auch über zwei neue Aufzüge: einen geräumigen Innenlift, der künftig alle Stockwerke des Hauses verbinden wird, sowie einen Panoramalift, der direkt auf die Dachterrasse und vorbei an einem 30 Meter hohen Gemälde des Künstlers Oliver Feistmantl führt.

In einer nächsten Bauetappe wird im siebenten Stock ein Großaquarium mit mehr als 400.000 Liter Wasser errichtet, in das die Haie übersiedeln sollen – sobald es die finanzielle Lage zulässt, wie Mitic sagt. Mit einem 40-prozentigen Einbruch bei den Besucherzahlen seit Jänner befinde man sich weiterhin in einem "Existenzkampf".

Umstrittene Optik

Die Erweiterung des Flakturms, in dem der Aqua-Terra-Zoo seit Jahrzehnten untergebracht ist, um einen 50 Meter hohen und 9.000 Tonnen schweren Stahlbetonbau mit Alu-Glas-Fassade ist aufgrund seiner opulenten Optik auf viel Kritik gestoßen. Doch nur mit einem Konzept, das den Turmcharakter erhält und sich vom Bestand deutlich abhebt, konnte man eine Einigung mit den Behörden erreichen, beteuert Mitic.

Corona und einige weitere bauliche Hürden sorgten außerdem dafür, dass sich die Eröffnung verzögerte und die Kosten von ursprünglich 16 auf voraussichtlich 18,5 Millionen Euro anstiegen. Seinen Traum von einem Dachaquarium mit einer Million Liter Fassungsvermögen hat Mitic daher erst einmal ad acta gelegt. (Karin Krichmayr, 29.9.2020)