Bis 2. Oktober läuft die Erdbeobachtungskonferenz "Phi-Week" der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) – coronabedingt nur online. Dabei kommt auch ein spannendes Konzept auf den Tisch, das die Erschaffung eines "digitalen Zwillings" der Erde unter anderem auf Basis von Erdbeobachtungsdaten von europäischen Satelliten vorsieht.

Auch wenn die Corona-Krise aktuell omnipräsent ist, sollte sie Fragen der Nachhaltigkeit nicht verdrängen, sagte Esa-Chef Jan Wörner im Rahmen der Konferenz. Aus diesem Grund setze man zukünftig auf die Idee digitaler Abbilder – oder "Digitaler Zwillinge" – der Erde. Die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung würden eine derartige Simulation mittlerweile ermöglichen. Wenn solche Systeme gut gemacht sind, würden Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt profitieren, sagte Wörner.

Riesige Datenmengen

Das Rückgrat des "Digital Twin Earth"-Konzepts würden vor allem Daten des umfassenden Satelliten-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus bilden. In diesem Rahmen werden mittlerweile ungeheure Datenmengen zur Atmosphäre, den Ozeanen, den Eisschilden, zur Umweltverschmutzung oder zu Treibhausgasemissionen gesammelt. In die "Zwillinge" sollen aber auch Informationen von Messstationen am Boden, in Kombination mit mathematischen Modellen – vom Klima bis zu sozioökonomischen System – einfließen.

Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz soll dann "all das genutzt werden, um Zukunftsszenarien durchzuspielen", etwa im Zusammenhang mit steigenden Meeresspiegeln, großflächigem Verlust von Waldflächen, Extremwetter-Ereignissen oder zum Ausbau von erneuerbarer Energie und zum Erreichen der Klimaziele Europas.

Einbringen von Quantentechnologien

Auch wenn Wissenschafter schon lange vor einer Pandemie durch ein neuartiges Virus gewarnt haben, sei nun klar, dass die Welt trotzdem nicht vorbereitet war. "Wir sollten daher von der Corona-Krise lernen, um besser auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet zu sein", sagt der aus Österreich stammende Leiter des Esa-Erdbeobachtungsprogramms, Josef Aschbacher. Daher gehe es nun darum, im Rahmen der "Digital Twin Earth"-Idee "europäische Exzellenz zusammenzubringen, um diese verschiedenen digitalen Zwillinge aufzubauen".

Anfang dieses Monats habe die Esa mit einem kleinen Satelliten namens Phi-sat-1 erstmals einen Erdbeobachter in den Orbit gebracht, der einen KI-Chip mit an Bord hat. Dieses System lernt seither an Bord des Satelliten, Wolken auf Bildern selbstständig zu erkennen. Solche Ansätze würden Kapazitäten am Boden sparen und "komplett neue Dimensionen in der Erdbeobachtung" eröffnen.

Das soll auch der Einstieg der Europäischen Raumfahrtagentur in die Welt der Quantencomputer mit sich bringen, die künftig mit Hilfe quantenphysikalischer Phänomene bestimmte Berechnungen viel schneller lösen könnten. Die Esa werde sich der neuen Technologie in Zusammenarbeit mit Partnern annähern – allen voran dem Cern in Genf. "Ich glaube, dass Quantencomputing den nächsten großen Schritt darstellen wird", wenn es um die rasche Analyse großer Datenmengen aus den Erdbeobachtungsprogrammen geht, so Aschbacher. (APA, red, 30.9.2020)