Johnny Mhanna spielt einen Iraner in Wien, den mysteriösen "Geleemann".

Alexander Gotter

Ein Mann erzählt seine Geschichte. Es ist die symbolisch überformte Geschichte eines in Österreich lebenden Iraners, der sich auf seltsame Weise Gehör zu verschaffen versucht: Er dringt in Wohnungen schlafender Frauen ein, um diesen nah zu sein und endlich ein Gegenüber zu finden, das nicht wegrennt. Alle ignorieren ihn. Die Einbrüche begeht er in Serie, um irgendwann vor Gericht, so hofft er, seiner Botschaft Raum zu geben. Er wird Geleemann genannt, weil er sich für die Einbrüche einölt und so in seiner Glitschigkeit entschlüpfen zu können.

Der Geleemann ist in einem iranischen Gefängnis aufgewachsen, musste fliehen, war Asylwerber in Österreich und sitzt nun in Untersuchungshaft. Das gleichnamige Theaterstück von Amir Gudarzi hatte im Werk X am Petersplatz in Wien Uraufführung. Darin schichtet der Autor, 1986 selbst in Teheran geboren und seit 2009 in Wien, viele unaufgearbeitete Themen übereinander, auf die sich diese politische Figur des Geleemanns bezieht, u. a. die sogenannten Kurdenmorde in Wien 1989, die die SPÖ-Regierung schamlos gedeckt hat, oder die Roma-Morde in Oberwart. Er ist die personifizierte Projektionsfläche, auf der Vorurteile und Verdrängtes zum Vorschein kommen.

Echt und projiziert

Genau darauf richtet Regisseurin Maria Sendlhofer ihre abstrakte Bühnensprache aus: Sie arrangiert in dieser Produktion des Andromeda Theater Vienna vier Schauspieler über mobile Projektionsleinwände: Philipp Auer, Johnny Mhanna, Clara Schulze-Wegener und Simonida Selimović sind abwechselnd echt oder projiziert zu sehen und verwischen die Trennlinien zwischen Opfer und Täter. Streitbar und interessant sind dabei vor allem die im Geleemann gebündelten Widersprüche; seine Perspektive ist erschütternd – aber auch seine Schlussfolgerung. (afze, 30.9.2020)