Die Pkw-Maut für Ausländer hätte das Prestigeprojekt der CSU werden sollen. Doch sie wurde zum teuren Rohrkrepierer, da sie nicht mit EU-Recht vereinbar ist.

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Die große Bühne im Bundestag hatte der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schon am Dienstag bei der Haushaltsdebatte. Sein Etat wurde beraten, und für die Opposition stand fest: Das war das letzte Mal, dass Scheuer als Minister einen Haushalt vorgelegt hat. Sie hält ihn wegen des Mautdebakels seit langem für rücktrittsreif.

Schwer unter Druck ist der CSU-Politiker seit Juni 2019. Damals kippte der EuGH – auf Betreiben Österreichs hin – die von der CSU ersonnene Pkw-Maut für Ausländer. Nur Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen sollten ihren Obolus zahlen, die Deutschen hingegen über einen Ausgleich bei der Kfz-Steuer von der Maut befreit werden – so lautete der CSU-Plan.

Viele Probleme

Doch der EuGH legte sich wegen offensichtlicher Diskriminierung von EU-Bürgern quer, und Scheuer hatte plötzlich viele Probleme. Warum etwa hatte der Minister nicht mit der Vergabe an die Betreiber, darunter die österreichischen Firma Kapsch, bis zum Urteil gewartet? Am heutigen Donnerstag muss Scheuer zum ersten Mal persönlich im Maut-U-Ausschuss des Deutschen Bundestags Auskunft geben.

Befragt wird auch ein Zeuge, der extra aus Wien anreist: Georg Kapsch, Chef der Kapsch-Gruppe, der gerne das Mautprojekt in Deutschland durchgeführt und daran auch gut verdient hätte.

Georg Kapsch wird für die Befragung aus Wien anreisen.
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Er müsste nicht vor den Ausschuss, diese Pflicht gilt nur für Deutsche, die geladen werden. Doch Kapsch hat mit der Reise kein Problem. "Im Sinne der Transparenz" will er alle Fragen beantworten.

Besonders interessant ist für die Opposition ein Treffen zwischen den Mautbetreibern – neben Kapsch sind das die Firmen Autoticket und CTS-Eventim – und Scheuer am 3. Oktober 2018.

Falsche Namen am Flughafen

"Der Raum dafür, am Berliner Flughafen Tegel, wurde unter falschem Namen angemietet", sagt der FDP-Obmann im Ausschuss, Christian Jung, dem STANDARD.

Später erklärte Scheuer, es habe sich dabei lediglich um einen Gedankenaustausch gehandelt, daher gebe es dazu auch kein Protokoll.

Doch die Betreiber hatten eines angefertigt. Darin steht, laut Spiegel, dass es durchaus um das Vergabeverfahren ging. Doch eigentlich sind solche Gespräche während des Vergabeverfahrens verboten. Ihr Angebot gaben die Betreiber nämlich erst am 17. Oktober 2018 ab.

Interessant ist, was das Protokoll noch vermerkt: Scheuer soll die Kapsch-Manager gefragt haben, ob sie mit der österreichischen Regierung "in Kontakt" seien. Diese wetterte ja von Wien aus gegen die Maut. Daraufhin wurde vonseiten Kapsch angeboten, mit Sebastian Kurz "ein Gespräch zu führen und einen Dialog zum Thema mit BM Scheuer anzustoßen".

Georg Kapsch, der acht Jahre lang Präsident der Industriellenvereinigung war, wird im Ausschuss noch um Auskünfte zu einem weiteren Treffen, im November 2018, gebeten werden. Dabei sollen die Betreiber Scheuer angeboten haben, mit dem Vertragsabschluss bis nach dem EuGH-Urteil zu warten.

Ob das stimme, wurde Scheuer im Bundestag von der FDP gefragt. Er verneinte. Wenn nun Kapsch und die anderen Zeugen am Donnerstag Gegenteiliges erklärten, wird es noch enger für Scheuer.

560 Millionen Euro Schadenersatz

Der Minister wollte dann ja nicht abwarten und schloss die Verträge noch vor dem EuGH-Urteil im Dezember 2018 ab. Das Ende vom Lied: Nun fordern die Mautbetreiber 560 Millionen Euro Schadenersatz.

Vom "House of Maut", das man nur noch mit Humor ertragen könne, spricht FDP-Mann Jung mittlerweile. Doch ganz ernst meint er die Rücktrittsforderung an Scheuer: "Er liegen Verstöße gegen das Haushalts-, das Vergabe- und das Europarecht vor. Wenn jemand so handelt, kann er nicht Minister bleiben." (Birgit Baumann aus Berlin, 1.10.2020)