Gut gurgeln heißt es für die Kinder bei Virusverdacht. Danach heißt es warten.
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Und wieder hat es vier Tage bis zum Ergebnis gedauert. Der Direktor einer Wiener Schule kennt das Warten schon. In der Telefonschleife der Corona-Hotline 1450, auf das Ergebnis eines Corona-Tests eines Schülers, auf einen Quarantänebescheid der Gesundheitsbehörde und diesmal auf das Ergebnis des Gurgeltests einer Klasse, in der ein Kind an Covid-19 erkrankt ist.

Eigentlich hatten sich die Stadt Wien und das Bildungsministerium das Ziel gesetzt, die Ergebnisse der Gurgeltests an Schulen in der Hauptstadt innerhalb von 24 Stunden mitzuteilen. Die Nachfrage nach den mobilen Teams ist aber so groß, dass es doch wieder länger dauert. Zumindest in dem Fall, der dem STANDARD bekannt ist. Begründung: Das Wochenende lag dazwischen, und die Laborkapazitäten sind beschränkt. Eine Sprecherin von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bedauert dies und versichert, dass man daran arbeite, das 24-Stunden-Ziel zu erreichen.

Gurgeltests sollen Entlastung bringen

Die Idee hinter den Gurgeltests ist vor allem, den Schulbetrieb trotz Pandemie aufrechterhalten zu können, möglichst wenige Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonal unnötig in Quarantäne schicken zu müssen und die Zeit der Verunsicherung zu verkürzen. Auch Schulleiterinnen und Schulleiter sollen so entlastet werden.

Franz Anreiter etwa leitete das Bernoulligymnasium im 22. Bezirk in Wien. Derzeit muss er medizinische Entscheidungen treffen, sagt er zum STANDARD. "Es ist ja schon bekannt, wie langsam die Gesundheitsbehörde arbeitet", sagt er. Also schickt er selbstständig Kinder nach Hause, die "K1-Kontakt" hatten – das heißt, dass sie mehr als 15 Minuten lang in einem geringeren Abstand als zwei Meter mit einer Person, die an Covid erkrankt ist, zu tun hatten. Bevor die Behörde diesen Status ermittelt. Er vertraut darauf, dass Eltern die Wahrheit sagen, wenn sie berichten, dass sie telefonisch erfahren haben, dass ihr Kind negativ getestet wurde. Wenn es über zwei Wochen dauert, bis die Gesundheitsbehörde das Ende der Quarantäne einer Schülerin schriftlich bestätigt, lässt er sie vorher an die Schule zurück.

Chaos am Schulanfang

Trotzdem sagt Anreiter, dass es besser laufe als am Anfang des Schuljahrs. Die Bildungsdirektion Wien habe eine klare Anleitung an die Schulleitungen verschickt. "Jetzt weiß ich, wie ich mich in welchem Fall zu verhalten habe."

Auch Manfred Horvath, Direktor einer Handelsakademie und Handelsschule in Salzburg, empfindet die Situation jetzt als besser als in den ersten Schulwochen. "Die Behörde reagiert schneller, der Informationsfluss läuft", sagt er dem STANDARD. Das war anfangs nicht so.

In Horvaths Handelsschule waren mehrere Schüler Teil eines größeren Covid-Clusters. Als er vom ersten positiven Covid-Fall erfahren hatte, konnte ihm bei der Hotline 1450 niemand weiterhelfen. Die Gesundheitsbehörde sei zuständig, hieß es. Bei der Nummer hob aber – es war bereits Abend – niemand ab. Schließlich verwies ihn die Mitarbeiterin der 1450er-Hotline auf einen Journaldienst. Dort meldete sich nach mehreren Versuchen die Berufsfeuerwehr. Diese erreichte, dass sich nach längerer Wartezeit ein Arzt meldete, mit dem Horvath besprechen konnte, welche Lehrer und Klassen am nächsten Tag zu Hause bleiben sollten. Erst am nächsten Tag konnte er Details mit den Behörden klären.

Direktoren bekommen mehr Verantwortung

An Eigeninitiative und Verantwortung für Schulleiter ist das österreichische Bildungssystem eigentlich nicht gewöhnt. Bis vor kurzem konnten Direktoren nicht einmal selbst entscheiden, welche Lehrer bei ihnen an der Schule unterrichten. Seit einer Reform für mehr Schulautonomie verändert sich die Kultur zumindest geringfügig. So wurde etwa das Mitspracherecht bei der Personalauswahl massiv ausgeweitet. Pädagogen können sich direkt bei der Schule bewerben, die Behörden haben zwar bei der Auswahl das letzte Wort, machen davon aber so gut wie keinen Gebrauch, erzählen Direktoren dem STANDARD.

Dennoch, budgetäre Spielräume haben Schulleiter wenig. Über fünf Prozent seines Budgets kann Direktor Anreiter selbst entscheiden. Mehr als die Hälfte gibt er für Reinigung und Energie aus. Selbst pädagogische Schwerpunkte zu setzen ist so nicht möglich, sagt er.

Aus zwei Schulen wird ein Cluster

Die Autonomiereform war dann auch vor allem eine Verwaltungsreform. Schulen können jetzt in "Cluster" zusammengeführt werden – das war nötig, um die vielen Kleinstschulen auf dem Land erhalten zu können. Verkauft wurden die Cluster von der Politik mit der Idee, einen Schulcampus mit gemeinsamem pädagogischem Programm bilden zu können. In der Praxis sieht es anders aus.

Herwig Klautzer leitet den "Bundesschulcluster Feldkirchen" und damit ein Bundesrealgymnasium und eine Handelsakademie. Weil die HAK recht klein ist und im selben Gebäude wie das Gymnasium untergebracht, wurden die Schulen heuer "von Amts wegen" zusammengelegt. Gemeinsam unterrichten können die Lehrer ihre Schüler allerdings aufgrund der unterschiedlichen Lehrpläne nicht. "Das geht höchstens in Religion", sagt Klautzer. Synergieeffekte gebe es dennoch – Personal kann er teilweise an beiden Schulen einsetzen, und IT-Infrastruktur und Büroartikel werden günstiger, wenn er eine größere Bestellung für beide Schulen macht.

Nicht bis "zum letzten Beistrich" reguliert

Andere Auswirkungen der Autonomiereform bemerkt Gabriele Lener, Direktorin einer ganztägigen Volksschule in der Vereinsgasse im zweiten Bezirk in Wien. Weil es jetzt die Möglichkeit gibt, sich direkt an der Schule zu bewerben, hat sie viel Auswahl, wenn sie Pädagoginnen und Pädagogen für ihre Schule sucht.

Die Direktorin freut sich darüber, dass die Corona-Regeln für Schulen nicht "bis zum letzten Beistrich" reguliert sind. "Zum Glück ist diesmal nicht alles vorgegeben", sagt sie. Es gebe Richtlinien, aber sie könne selbst entscheiden, wie sie diese am Standort umsetze.

Nicht jeden Schnupfen melden

So hat Lener zum Beispiel Sachunterricht im Wald eingeführt und klassenübergreifende Kurse abgeschafft. Und: Nicht bei jedem Schnupfen wird die Behörde informiert. Es gehe auch darum, die Kinder nicht zu beunruhigen und zu verunsichern. Eine Meldung macht Lener nur dann, wenn das Kind Symptome hat und Kontakt mit einem Covid-Patienten hatte. Bisher gab es an ihrer Schule noch kein Kind, das positiv getestet wurde.

Auch für Horvath ist es wichtig, die Jugendlichen seiner Schule in Salzburg nicht in Panik zu versetzen. "Sie hatten im Frühjahr mit dem Lockdown schon genug zu verarbeiten", sagt er. Als es zu den positiven Fällen in seiner Schule kam, hat er die Klassenvorstände gebeten, alle Schülerinnen und Schüler noch einmal über das Virus zu informieren und den Jugendlichen mitzuteilen, was diese Situation jetzt für sie bedeute. Der Schulpsychologe vor Ort würde ebenfalls mithelfen, die Fragen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten.

Amtsärzte entscheiden unterschiedlich

Verbesserungsbedarf bei den Behörden sieht Horvath dennoch. Ob Quarantäne verhängt werde oder nicht, hänge vom jeweiligen Amtsarzt ab. "Da braucht es eine einheitliche Vorgehensweise." Er müsse zudem immer noch beim Gesundheitsamt rückfragen, um über Testergebnisse und die weitere Vorgehensweise nach Verdachtsfällen informiert zu werden.

Bildungsminister Faßmann hofft auf Abhilfe durch die Gurgeltests direkt am Standort. Selbst veranlassen kann er diese aber nicht – zuständig sind nach wie vor die Gesundheitsbehörden der Länder. Nach Wien haben nun auch Tirol und die Steiermark Interesse an den mobilen Einsatzteams bekundet.

600.000 Gurgeltestkits

Die Stadt Wien wiederum will in rund zwei Wochen 600.000 Gurgeltestkits an die Schulen verschicken. So können Schulleiter ganze Klassen sofort gurgeln lassen, sollte es nötig sein. Die Tests werden dann von der Behörde abgeholt und im Labor ausgewertet. Noch schneller soll es mit sogenannten Lamp-Tests gehen, die derzeit vom Cluster-Buster-Bus des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) durchgeführt werden. Ergebnisse dieser Gentests sollen schon nach 30 Minuten vorliegen. (Lisa Kogelnik, 3.10.2020)