Sebastian Janata: "Ich bin quasi der Frodo meiner Mutter"

Der Musiker und Autor Sebastian Janata erzählt, warum ihm ein goldener Armreif besonders am Herzen liegt.
Foto: Katharina Gossow

"Dieser Armreif gehörte meiner Mutter. Damit verbunden ist die Geschichte einer geplatzten Verlobung. Ohne ins Detail gehen zu wollen: Man kann sich vorstellen, dass diese Sache für sie, damals in den 1970ern, nicht angenehm war. Es war eine schmerzhafte Trennung, und sie war froh, dass sie das Ding und das, was es symbolisiert, loswurde.

Diese Bürde trage jetzt ich. Ich bin quasi der Frodo meiner Mutter. Im Ernst: Ich trage dieses Schmuckstück mit seinen Art-Decó-Zitaten gerne, weil ich es elegant finde und prinzipiell ein Fan von Schmuck bin. Er verleiht mir einen femininen Touch, den ich gerne an mir sehe. Wenn es noch dazu kein Modeschmuck ist, sondern ein Vintage-Teil aus einem guten Material – in diesem Fall ist es Gold –, habe ich doppelt Freude daran.

Der Reif ist so etwas wie ein vorgezogenes Erbe und nimmt dem Thema damit die Schwere. Aber wer weiß: Vielleicht ist ja doch etwas gestorben. Denn für meine Mutter ging unwiederbringlich ein Lebensabschnitt zu Ende.

An einem Erbstück hängt natürlich auch immer die Erinnerung an eine Person. Ich sehe darin nicht nur das Objekt, sondern einen geliebten Menschen. Nachdem ich die meiste Zeit des Jahres in Berlin bin, habe ich meine Mutter, die im Burgenland lebt, auf diese Weise stets bei mir, wenn ich durch die Stadt gehe." (Markus Böhm)

Der gebürtige Burgenländer Sebastian Janata (32) ist seit 2006 Mitglied der Band Ja, Panik. Der Autor lebt und arbeitet in Berlin, verbringt den Sommer aber meist in Wien. Vor kurzem ist sein Debütroman "Die Ambassadorin", eine alternative, feministische Dorfgeschichte, bei Rowohlt erschienen.


Verena Dengler: "Das Glas habe ich für Stehplatzkarten ausgeborgt"

Ein Stück bürgerliche Kultiviertheit für die Oper: die Künstlerin Verena Dengler über das Opernglas ihres Vaters.
Foto: Katharina Gossow

"Eigentlich hätte ich gerne an dieser Stelle über ein immaterielles Erbe wie psychische Störungen gesprochen, das wäre aber schwer abzubilden gewesen. Also habe ich mich für das Opernglas meines Vaters entschieden.

Das habe ich vor ungefähr zwanzig Jahren von meinen Eltern ausgeborgt – ich hatte damals als Studentin Stehplatzkarten im Theater – und nie mehr zurückgegeben. Man muss wissen: Mein Vater war extrem sparsam und hat gerne im Konsumentenmagazin monatelang nach Schnäppchen gesucht. Irgendwann hat er sich dieses Opernglas von Carton geleistet.

Das Objekt verkörpert einerseits Status und bürgerliche Kultiviertheit, für mich ist es aber auch ein Symbol für den gesellschaftlichen Aufstieg meiner Eltern aus der Arbeiterklasse: Man kann sich die hinteren Opernkarten leisten, wahrt aber gleichzeitig Distanz zum Geschehen auf der Bühne.

Ich würde das Stück nie verkaufen, es ist für mich ein schönes Objekt und Erinnerungsstück. Ich benutze es aber ganz selten. Als ich für den STANDARD eine Kritik über den Ring des Nibelungen geschrieben habe, habe ich das Teil in die Staatsoper mitgenommen, da schaut man natürlich auch das Publikum an. Um hingegen im Gemeindebau die Nachbarn zu beobachten, bräuchte man wohl härtere Geschütze wie einen Feldstecher." (Anne Feldkamp)

Die Künstlerin Verena Dengler, geboren 1981 in Wien, hatte Soloschauen in der Kunsthalle Bern und im Mumok, zuletzt stellte sie in der Wiener Secession aus. Sie hat mit Dominique Wiesbauer das Else-Lasker-Schüler-Stück "Ichundich" am Schauspiel Frankfurt ausgestattet, Premiere ist am 2. Oktober.


Georg Öfferl: "Meine alten Kochbücher sind voller Mehl"

Wieso die Erbstücke von Bäcker Georg Öfferl täglich im Einsatz sind und was sein Brot namens "Wenzel" damit zu tun hat.
Foto: Katharina Gossow

"Eines Tages ist meine Mutter mit einem Buch vom Dachboden heruntergekommen. Es hat meinem Opa gehört. Wir haben ihn alle den "Bäck-Opa", also Bäcker-Opa, genannt. 1998 ist er verunglückt. Meine Mutter musste von heute auf morgen die Bäckerei übernehmen.

Deshalb hat es früher ja auch geheißen: "Öfferl, Brot aus Frauenhand". Ich habe viele alte Bücher und verwende sie alle. Staubig sind sie, aber vom Mehl. Das Buch vom Opa ist mein liebstes. Es ist eine Auflage aus dem Jahr 1958. Das Rezept von unserem "Wenzel"-Brot ist zum Beispiel aus dem Buch. Es ist eine Hommage an meinen Opa.

Natürlich mussten wir ein, zwei Sachen adaptieren. Der "Bäck-Opa" hat immer gemeint, er macht die Sachen gut. Aber wahrscheinlich kann ich das mit dem Brotbacken schon besser. Das war früher eine andere Zeit.

Heute möchte ich nicht mehr mit Backtriebmitteln arbeiten. Das, was wir machen, ist nicht nur Brot. Es ist auch eine Lebenseinstellung. Wir schließen mit allen unseren Landwirten Fünf-Jahres-Verträge ab, damit sie die Felder so bewirtschaften können, wie es für unsere Brote und auch für die Natur gut ist.

Das Buch meines Opas ist für mich eine Inspirationsquelle, und es entspannt mich, darin zu blättern. Es zeigt mir aber auch, wie eng unsere Familie mit dem Brotbacken verwoben ist und wie weit wir schon gekommen sind." (Nina Wessely, RONDO Exklusiv, 3.10.2020)

Georg Öfferl (29) ist vor fünf Jahren in den Familienbetrieb, eine Bäckerei in Gaubitsch im Weinviertel, zurückgekehrt. Dort haben er, seine Eltern, seine Cousine Sandra Schaffer und sein Cousin Lukas Uhl alles neu gemischt. Alte Sorten, nur Bio, keine Backtriebmittel und offensive Kommunikation. Heute ist Öfferl einer der gehyptesten Bäcker in Wien.