Die Opposition fordert den Rücktritt des deutschen Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU). Er wollte die Ausländermaut unbedingt.

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Georg Kapsch nach seinem Auftritt im deutschen Bundestag.

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Berlin – Allein das Datum erinnert noch einmal an das Scheitern des einst so großen Prestigeprojekts der CSU. Am Donnerstag, dem 1. Oktober 2020 hätte in Deutschland die Pkw-Maut für Ausländer in Kraft treten sollen – ausgearbeitet vom CSU-geführten Verkehrsministerium.

Doch sie kommt nicht. Der EuGH hat das Vorhaben wegen Verstoßes gegen EU-Recht ja im Juni 2019, noch vor dem Start, nach einer Klage Österreichs, gekippt. Stattdessen eilen also an diesem 1. Oktober 2020 Abgeordnete ins Parlaments, um den Scherbenhaufen aufzukehren.

Schon viele Sitzungen hat es im Maut-Untersuchungsausschuss gegeben, aber jene am Donnerstag hat die Opposition besonders herbeigesehnt. Als Zeugen geladen sind Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und die Mautbetreiber, darunter der Chef der österreichischen Kapsch-Gruppe, Georg Kapsch.

Zuerst aber ist Klaus-Peter Schulenberg an der Reihe. Er ist Chef der Firma CTS Eventim, die mit Kapsch die Maut hätte organisieren wollen. CTS-Eventim hätte die Tickets gedruckt, Kapsch sehr gerne für das Mautsystem gesorgt, um endlich am deutschen Markt Fuß zu fassen.

Nach dem 29. November 2018, einem Schlüsseldatum in der ganzen Affäre, müssen die Abgeordneten im Ausschuss Schulenberg gar nicht fragen. Er kommt gleich selbst in seinem Eingangsstatement auf den heiklen Termin zu sprechen.

Frühstück beim Minister

An diesem Tag waren er und Kapsch bei Scheuer zum Frühstück geladen. Das Angebot für die Ausländermaut war schon abgegeben, doch die Lage nicht einfach.

Zum einen stand noch das EuGH-Urteil aus, zum anderen gab es eine Kluft von einer Milliarde Euro zwischen dem, was Scheuer zu zahlen bereit war, und jener Summe, die die Betreiber forderten.

Schulenberg schildert die Szene im Ministerium so: "Schulenberg, Sie müssen was für Deutschland tun!" – das habe Scheuer zu ihm gesagt. Gemeint war natürlich, dass der Preis zu drücken sei.

Doch Schulenberg machte Scheuer ein ganz anderes Offert: "Ich habe angeboten, der Bund könne bis nach dem EuGH-Urteil mit dem Auftrag warten." Scheuer aber lehnte ab, er wollte die Maut unbedingt pünktlich ab 1. Oktober 2020 erheben.

Das Problem für ihn: Im Bundestag wurde er im November 2019 gefragt, ob ihm tatsächlich die Verschiebung er Maut angeboten worden sein. Seine Antwort damals: Das sei "kein Thema" gewesen.

Für die Opposition ist nach Schuldenberg Auftritt Scheuers Rücktritt noch viel dringlicher. Denn Scheuer habe das Parlament belogen. Hingegen argumentiert die Union nach Schulenbergs Aussage, es stehe nun einfach nur Aussage gegen Aussage.

Die Spannung ist also groß, als Kapsch den Saal betritt. "Sollte meine Ausdrucksweise nicht der Ihrigen entsprechen, möchte ich mich entschuldigen", betont der Wiener, und die Deutschen lachen. Doch seine Kernaussage verstehen alle sehr gut. Ja, Schulenberg habe Scheuer angeboten, den Mautvertrag erst nach dem Spruch der EU-Richter zu unterschreiben.

Nichts vergessen

Damit belastet er Scheuer schwer. Könne es sein, dass der Minister Schulenbergs Angebot nicht wahrgenommen oder vergessen habe, will eine Abgeordnete wissen.

Kapsch weist dies vehement zurück: "Ich kann nur sagen, ich vergesse durchaus das eine oder andere aus Gesprächen. Aber das hätte ich nicht vergessen." Und Scheuer habe ja ohnehin gleich erwidert, nein, keine Verschiebung, das Urteil werde nicht abgewartet.

Im Gegensatz zu anderen Zeugen tritt Kapsch sehr selbstbewusst vor dem Ausschuss auf. Einen Fragesteller der Union weist er genervt zurecht, dass er die Sache jetzt nur noch einmal erklären werde.

Er findet auch deutliche Worte für die Kündigung der Mautverträge durch Scheuer am 19. Juni 2019, nur einen Tag nach dem EuGH-Urteil: "Mich hat der Schlag getroffen. Das war politisch motiviert." Die Arbeiten des Konsortiums seien immer zufriedenstellend gewesen.

"Abstrus" findet er, dass Scheuer zu keinen Gesprächen bereit gewesen sei, sondern nur der Rauswurf kam. Denn der EuGH hatte ja nicht das Mautsystem an sich beanstandet, sondern die Bevorzugung der Deutschen. Man hätte über eine andere Form der Maut reden können.

Kapschs Fazit nach dem Debakel: "Ich habe in vielen Ländern mit vielen Regimen zusammengearbeitet. Gerade in Deutschland hätte ich am wenigsten erwartet, dass man sich nicht vertragstreu verhält.

Jetzt will er mit den anderen Mautbetreibern 560 Millionen Euro Schadenersatz. Keine Lust hat er auf einen zweiten Auftritt im Ausschuss. Kapsch zu den Abgeordneten: "Es hätte für Sie keinen Mehrwert. Und für mich auch nicht." (Birgit Baumann, 1.10.2020)