Bürgermeister Ludwig war beinahe emotional in der Debatte mit Strache.

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Michael Ludwig, Bürgermeister und SPÖ-Spitzenkandidat bei der Wien-Wahl, ist so richtig in Fahrt, als er sich mit Team-HC-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache duelliert. Da wird selbst der sonst eher sanftmütige Bürgermeister laut – das ist selten. Schon beim Thema Nummer eins – Corona – kommt der erste grobe Hieb in Richtung Strache: Es wäre ja nett, wenn dieser bei seinen Wahlveranstaltungen die Corona-Bestimmungen einhalten würde, kontert er den Vorwurf Straches, da habe es "Fehlentwicklungen" gegeben.

Aber lange bleibt es ohnehin nicht bei dem Thema. Ohne jede rhetorische Brücke bringt Strache binnen Minuten den radikalen Islam ins Spiel, woraufhin Ludwig ein fast lässiges "Aber wir reden schon noch von Corona?" parat hat. Der Bürgermeister ist entspannt, spricht fast schon von oben herab mit jenem Mann, dem einst Chancen auf Ludwigs jetzigen Job ausgerechnet wurden. Wenn man sich die Umfragen ansieht, dann zu Recht: Die SPÖ liegt bei etwa 40 Prozent, das Team HC irgendwo um die fünf.

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Vorbei am Thema Registrierungspflicht in der Gastronomie – "Wo is des Problem, dass ma sich eintragt?" ist der recht wienerische Kommentar Ludwigs dazu – und dem Thema Extremismus – Strache bringt es ins Spiel, als er von den Demonstrationsaktivitäten der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein spricht – landen die beiden schnell bei Straches Vergangenheit und dem Moment, in dem Moderatorin Ingrid Thurnher zum ersten Mal "Herr Strache!" rufen muss. Die beiden schreien durcheinander, der Inhalt weicht der Lautstärke.

Wer ist der Gegner?

Zumindest ein bisschen harmonischer läuft da das zweite Duell ab: Grünen-Spitzenkandidatin Hebein gegen Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr. "Wir kommen als Freunde" ist eine Message, die nicht lange hält – schon gar nicht auf pinker Seite. Wiederkehr startet in die Runde mit einem Monolog zu den Themen Verkehr und Radwege, Hebein reagiert mit einem freundlichen "Sie sind nicht mein Gegner in diesem Wahlkampf" und dem Dank für das Engagement der Neos bezüglich der Aufnahme geflüchteter Kinder aus Moria.

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Die grüne Spitzenkandidatin schießt eigentlich häufiger gegen den Mann, der vor wenigen Minuten noch auf dem Fleck gestanden ist, auf dem sie jetzt steht – Michael Ludwig –, als gegen den, der ihr nun gegenübersteht. Die SPÖ würde sie bei manchen Maßnahmen behindern, sagt sie, als sich die Debatte weiter um Verkehr dreht. Auch beim Parkpickerl: Da zeigt Wiederkehr sich verstimmt, weil eine einheitliche Lösung auf sich warten lässt, Hebein meint dazu: "Sie sagen, da geht zu wenig weiter, der Koalitionspartner sagt, es passiert viel zu viel."

Die zeitweilige Abneigung Hebeins geht aber auch gegen den Koalitionspartner der Grünen auf Bundesebene, die ÖVP. Die würde alles blockieren, wenn es um Moria geht, dabei wäre Katastrophenschutz eine ureigene Aufgabe Europas.

Die Debatte endet mit einer letzten Uneinigkeit. Hebein sieht zwei Krisen: die Klima- und die Corona-Krise, Wiederkehr sieht gleich drei, nämlich noch eine Bildungskrise dazu. Thurnher erinnert beide ein wenig genervt daran, dass sie das so oder so ähnlich in den letzten Tagen schon öfter gehört habe.

Hilfe oder keine Hilfe?

Teil drei der Debatte am Donnerstag könnte den Titel "Wer ist der Rechtere?" vertragen. Beim Duell Gernot Blümel (ÖVP) gegen Dominik Nepp (FPÖ) fordert Ersterer eine Deutschpflicht im Gemeindebau, Zweiter will die Vergabe gleich an die österreichische Staatsbürgerschaft koppeln. Selbiges beim Kopftuchverbot: Blümel will es für Lehrerinnen, Nepp für alle und in allen Amtsgebäuden.

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"Wir hatten sechs Ja-Nein-Fragen", versucht Moderator Paul Tesarek ein Zwischenfazit, "und sechsmal Ja, aber trotzdem sehr divergierende Antworten. Die Ja-Nein-Fragen können wir uns morgen sparen." Kollegin Thurnher will es ein letztes Mal probieren und wissen, ob die beiden eine Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen ausschließen, die Antworten bleiben schwammig. Die Ja-Nein-Fragen sparen sie sich morgen wohl.

Spannend – und vor allem laut – wird es zwischen den beiden erst richtig, als Blümel Nepp vorwirft, dass der 21 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt habe und dennoch stets jammere, dass Staatshilfen nicht ankämen. "Das ist ja das Größte, dass Sie mir vorwerfen, dass ich meine Mitarbeiter nicht raushauen will", schreit Nepp, und Blümel fragt mit einem Grinser: "Haben Sie noch andere Hilfen beantragt?" Thurnher erlöst mit dem Schlusswort: "Ich glaub', das wird nichts mehr mit Ihnen beiden." (Gabriele Scherndl, 1.10.2020)