Die deutsche Sprache bietet schier endlose Möglichkeiten für substantivische Zusammensetzungen: Das Gericht hat einen Vorsteher und der wiederum einen Stellvertreter = Gerichtsvorsteherstellvertreter. Je länger die Wortkaskade, desto hässlicher ist sie, aber rein grammatikalisch ist auch am Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz¹ nichts auszusetzen.

Solche Komposita haben in aller Regel ein Grundwort (meist das letzte Wort), das ihre Bedeutung steuert, ihr grammatikalisches Geschlecht und ihre Verwendung im Satzbau²; der Uhrturm ist daher etwas anderes als die Turmuhr.

Sprachstolpereien

Heikel wird es, wenn eine Substantivkomposition mit einem Attribut verbunden wird, etwa einem Adjektiv: Wird dabei das Grundwort missachtet, werden Stilblüten geboren wie die "saure Gurkenzeit", die "rasche Auffassungsgabe" oder der "warme Würstchenverkäufer"³.

Saure Gurkenzeit? Wie kann Zeit sauer sein?
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Vor derartigen Sprachstolpereien ist aber auch der Jurist nicht gefeit: Er spricht etwa von "verstärkter Senatsentscheidung"⁴, obwohl lediglich das Gericht verstärkt wurde und nicht das Urteil; von "immateriellem Schadenersatz"⁵, und doch soll der Schuldner nur Geld geben und keine Liebe; von "reduziertem Originalitätsbegriff"⁶, "garantiertem Maximalpreisvertrag"⁷, "nationalsozialistischer Gesinnungsnähe"⁸ und "negativer Feststellungsklage"⁹. Auch das ABGB ist in Wahrheit ein allgemeines bürgerliches Gesetz, aber kein solches Buch, und das "geheime Wahlrecht"¹⁰ ist, so hoffen wir, alles andere als geheim¹¹! (Michael Rami, 7.10.2020)