Vor hundert Jahren, am 10. Oktober 1920, wurde als Folge des Staatsvertrages von Saint-Germain im Süden Kärntens über die staatliche Zugehörigkeit abgestimmt. Der Abstimmung ist ein bewaffneter Kampf um den Grenzverlauf vorausgegangen, der bis heute als „Kärntner Abwehrkampf“ mystifiziert wird.

Auch in der kleinen Gemeinde Ledenitzen/Ledince, am Fuße der Karawanken, wurde abgestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war die Umgangssprache in der Gemeinde noch fast ausschließlich Slowenisch. Bei der letzten Volkszählung der Monarchie im Jahre 1910 gaben im Gemeindegebiet knapp 97 Prozent Slowenisch als Umgangssprache an. Eigentlich war Slowenisch auch der Grund, dass es die Gemeinde überhaupt gab. Um einen slowenischsprachigen Bürgermeister in der Gemeinde Rosegg/Rožek zu verhindern, wurde die Gemeinde Ledenitzen im Jahr 1911 abgespaltet. In Ledenitzen ging die Abstimmung mit einer klaren Mehrheit für Jugoslawien aus, in der gesamten Abstimmungszone votierten allerdings rund 59 Prozent für Österreich.

Das große Verschwinden

Heute ist alles anders. Ledenitzen ist seit 1973 keine eigenständige Gemeinde mehr und auch Slowenisch wird kaum noch gesprochen. 2001 gaben in der Gemeinde Finkenstein/Bekštanj, zu der heute ein großer Teil der ehemaligen Gemeinde Ledenitzen gehört, nur mehr 5,6 Prozent der Bevölkerung Slowenisch als Umgangssprache an. Doch wie kam es dazu?

Tatsächlich hat sich in weiten Teilen Kärntens die Umgangssprache innerhalb von nur drei Generationen massiv verändert. Gaben bei der letzten Volkszählung in der Monarchie 1910 noch über 66.000 Menschen in Kärnten Slowenisch als Umgangssprache an, so waren es bei der letzten derartigen Zählung im Jahr 2001 offiziell nur mehr 12.586 österreichische Staatsbürger. Relativ zur Bevölkerungsentwicklung scheint der Rückgang noch dramatischer, wuchs doch die Bevölkerung Kärntens in derselben Zeit um fast 200.000 Menschen. 

Aus Ledenitzen/Ledince ist Slowenisch als Umgangssprache weitgehend verschwunden.
Foto: Gregor Novak

Die Krux mit der Zählung

Das Problem beginnt bereits bei der Verortung der Minderheit. Eine Zählung findet nie im interessensfreien Raum statt. Das Zählen der Angehörigen einer nationalen Minderheit „dient der Messung des Grades der Assimilation, der Ausrichtung gezielter Assimilationsmaßnahmen, sowohl mit positiven wie auch negativen Sanktionen“. Sie diente auch schon der „physischen Vernichtung“, wie es der ehemalige Leiter des Minderheitensekretariats der vier autochthonen nationalen Minderheiten und Volksgruppen in Deutschland, Thede Boysen, einmal ausdrückte.

Gleichzeitig wird nur die Umgangssprache erhoben und diese Zahl hängt in den Volkszählungen immer mit der politischen Stimmung im Land zusammen. So gaben 1934 rund 25.000 Menschen ihre „Zugehörigkeit zum slowenischen Kulturkreis“ an, während 1951, in einer Zeit als in Kärnten ein minderheitenfreundlicheres Umfeld herrschte, 42.000 Menschen Slowenisch als ihre Umgangssprache angegeben haben. Wie groß die Zahl der Minderheitenangehörigen also tatsächlich ist, lässt sich schwer sagen. Trotzdem wurden in der Vergangenheit Rechte der Minderheit immer an die mutmaßliche Zahl der Angehörigen gebunden.

Sprache als soziale Frage

Die historischen Wurzeln dieser Entwicklung reichen weit zurück. Jahrhundertelang verlief die Sprachgrenze quer durch Kärnten. Während im Süden Kärntens die bürgerliche Schicht in den Städten meist Deutsch sprach, sprach die bäuerliche Landbevölkerung mehrheitlich Slowenisch. Sozialer Aufstieg war dadurch bereits im 19. Jahrhundert mit Germanisierung verbunden. Dazu kam der aufkommende Nationalismus, der sich in Kärnten in Form von Germanisierungsbestrebungen niederschlug, was vor allem auf die Bildungspolitik einen Einfluss hatte. Als Folge des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 wurden in Kärnten sogenannte utraquistische Schulen eingeführt, in denen Schülerinnen und Schülern die deutsche Sprache mit Hilfe ihrer Erstsprache in den ersten drei Jahren nähergebracht wurde. Sobald ein ausreichendes Verständnis der deutschen Sprache festgestellt werden konnte, war die Unterrichtssprache bis auf den Religionsunterricht ausschließlich Deutsch. Reste dieses Prinzips hielten sich bis ins Jahr 2001, als nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes auch in der vierten Klasse Volksschule der zweisprachige Unterricht eingeführt wurde.

Am 10. Oktober 1920 wurde in der Zone A abgestimmt.
Kärntner Landsmannschaft, gemeinfrei

Als am 10. Oktober 1920 im Süden Kärntens über die Zugehörigkeit des Gebiets zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) oder zur jungen Republik Österreich abgestimmt wurde, sprach der Großteil der Bevölkerung der Abstimmungszone Slowenisch. Im Vorfeld wurde ein intensiver Propagandawahlkampf betrieben. Während der SHS-Staat an die nationalen Gefühle der Wahlberechtigten appellierte, waren schlussendlich sozial- und wirtschaftspolitische Themen ausschlaggebend. Eine Republik versprach mehr soziale Rechte, vor allem für kapitalärmere Schichten. Die provisorische Kärntner Landesversammlung sicherte nicht nur einen Minderheitenschutz zu, sondern diskutierte auch eine neue Sozialgesetzgebung. So ging die Abstimmung mit einer Mehrheit von 59 Prozent für Österreich aus, jede zweite Stimme für Österreich kam dabei von Slowenischsprachigen.

Die Folgen der Volksabstimmung

Aus dem versprochenen Minderheitenschutz wurde allerdings nichts – im Gegenteil. In der Festsitzung der Kärntner Landesversammlung nach der Volksabstimmung sagte Landesverweser Arthur Lemisch über jene Menschen, die für Jugoslawien gestimmt haben: „Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen; in der Lebensdauer einer Generation muß das Erziehungswerk vollendet sein. Das werden nicht die Behörden und Regierungen machen können, das Kärntnervolk selbst muß es besorgen; Haus, Schule und Kirche müssen sich am Heilungswerke beteiligen.“

In der Praxis hieß das, dass viele Kärntner Slowenen, die sich für Jugoslawien eingesetzt haben, ihre Arbeit verloren oder Kärnten verlassen mussten. Der Zeitzeuge Franc Resman aus Ledenitzen berichtet in seinem Buch über die Zeit zwischen 1914 und 1945, dass ab 1920 bei der Staatsbahn Listen mit Kärntner Slowenen auflagen, die keineswegs eingestellt werden durften. Unter dem Einfluss der „Traditionsverbände“ wurde zunehmend zwischen „deutschfreundlichen“ und „nationalen“ Slowenen unterschieden. 1927 ging der Rassentheoretiker Martin Wutte noch einen Schritt weiter und imaginierte germanische Wurzeln für die slowenischsprachigen „Windischen“. Die aktive Germanisierungspolitik im Schulwesen führte dazu, dass nur mehr „völkisch verlässliche“ Lehrer aufgenommen wurden und die Zahl der zweisprachigen Volksschulen in weiterer Folge massiv zurück ging.

Der Nationalsozialismus brachte Kärnten nicht nur den 10. Oktober als Landesfeiertag, sondern auch neue Repressionen. Nachdem die slowenische Sprache in der Öffentlichkeit verboten wurde, folgte im April 1942 die Deportation von über 900 Kärntner Slowenen in deutsche Arbeitslager. Dieser folgten noch mehrere kleinere „Aussiedlungsaktionen“. Der ursprüngliche Plan, mehrere tausend Menschen zu deportieren, konnte durch den Kriegsverlauf nicht mehr durchgeführt werden. Auf ihren Höfen sollten Deutschsprachige aus dem nunmehr italienischen Kanaltal angesiedelt werden. Dieses Vorgehen fachte den bewaffneten Widerstand in Kärnten an, der sich bis an das Kriegsende halten konnte und damit zur Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands beitrug. Diesen Widerstand konnte Österreich folglich auch bei den Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag als Beitrag zur Befreiung vom Nationalsozialismus verbuchen. Im Staatsvertrag von 1955 wurden in weiterer Folge auch Minderheitenrechte für die autochthonen Volksgruppen der Kärntner Slowenen und Burgenlandkroaten festgelegt. So regelt der Artikel 7 des Staatsvertrags von 1955 die Frage der Amtssprache, des Schulwesens und zweisprachiger Aufschriften.

Durchsetzung des Deutschen

Die Unterzeichnung des Staatsvertrags verbesserte die Situation der Volksgruppe nur bedingt. Der obligatorische Slowenischunterricht in Kärnten, der die Situation entschärfen sollte, wurde ab der Unterzeichnung des Staatsvertrages von deutschnationalen Verbänden bekämpft. Auf ihren Druck führte das Land Kärnten 1957 eine Möglichkeit zur Abmeldung ein, ein Jahr später mussten Kinder aktiv angemeldet werden. In Folge dessen wurden allerdings nicht nur deutschsprachige Schüler, sondern auch slowenischsprachige von ihren Eltern aus Furcht vor Diskriminierung vom Slowenischunterricht abgemeldet.

Der öffentliche Druck auf Eltern, ihre Kinder nicht zum zweisprachigen Unterricht anzumelden, führte in weiterer Folge dazu, dass viele ihre Erstsprache nicht an ihre Kinder weitergaben. Die Soziologin Maria Clar hat dieses Phänomen untersucht. Für ihre Masterarbeit über die „Nicht-Weitergabe der Slowenischen Sprache in Koroška/Kärnten“ führte sie mehrere Interviews in der Region um den Faaker See/Baško jezero, in der auch Ledenitzen liegt. Bei allen Befragten war Slowenisch in ihrer Kindheit die dominierende Sprache, mit dem Deutschen kam man vor allem über den Sommertourismus in Kontakt. Die Verwendung der slowenischen Sprache wurde von den Befragten mit Konflikten zwischen Zweisprachigkeit und Versuchen der Durchsetzung des Deutschen als einzige legitime Sprache in Verbindung gebracht: „Slowenisch war etwas, was man nicht einfach konnte, sondern was man war. Entweder man war Deutsch oder Slowenisch. Es war nicht möglich, beides zu sein. Man konnte nicht das eine oder das andere sprechen“, wie es eine interviewte Person ausdrückte. Wollte man sich aus dem Konflikt heraushalten, war es leichter, sich vom Slowenischen abzugrenzen und Deutsch zu sprechen.

Aktuell befasst sich mit diesem Konflikt eine Installation in St. Jakob/Šentjakob, einer Nachbargemeinde von Ledenitzen/Ledince. Die Gemeinde war im Konflikt zwischen Ein- und Mehrsprachigkeit lange ein umkämpftes Territorium: deutscher Turnerbund und größtes deutschnationales Denkmal Kärntens auf der einen, erste slowenische Genossenschaft und ein aktiver slowenischer Kulturverein auf der anderen Seite. Ein rotes Band, das sich durch den Ort zieht, symbolisiert eine unsichtbare Grenze die durch den Ort geht. Doch das Projekt gibt auch Hoffnung: die Installation unter Federführung des slowenischen Kulturvereins SPD Rož wird von einem Großteil des Ortes und von der Gemeindepolitik mitgetragen, auch wenn es einzelne ablehnenden Reaktionen gab.

Ein rotes Band zieht sich durch St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu.
Foto: Gregor Novak

Heutige Situation

Liest man die kärntnerslowenische Wochenzeitung "Novice", zeigt sich der Zustand der Volksgruppe: ein reges Vereinsleben führt zu zahlreichen Veranstaltungsankündigungen, gleichzeitig sind aber auch die Seiten mit den Nachrufen verstorbener Angehöriger der Volksgruppe gut gefüllt. Bereits 2001 stellte die Statistik Austria eine starke Überalterung der autochthonen Volksgruppen in Österreich fest, in anderen Worten: „Es lässt sich daraus tatsächlich errechnen, dass bei einer Fortsetzung dieser Tendenz ein Verschwinden der Volksgruppen oder zumindest ein zahlenmäßiger Bedeutungsverlust bis zum Nahezu-Verschwinden programmiert ist.“ Ältere Sprecher der slowenischen Sprache sterben ohne die Sprache an ihre Kinder weitergegeben zu haben.

Aus der Öffentlichkeit ist das Slowenische im Süden Kärntens Großteils verschwunden, auch die Verwendung von Slowenisch als Amtssprache ist zwar rechtlich vorgesehen, aber in der Praxis nur sehr selten möglich. Damit wurde der Sprachgebrauch vor allem in familiäre Zusammenhänge zurückgedrängt. Der Soziologe Jonas Kolb hat in seiner Dissertation Sprache und Ethnizität in der Alltagspraxis junger Kärntner Slowenen untersucht. In Interviews zeigte sich, dass unter kärntnerslowenischen Jugendlichen durchaus ein Bewusstsein für den Gebrauch der Sprache vorhanden ist, obwohl sie auch in den Schulpausen mit anderen slowenischsprachigen Jugendlichen Deutsch sprechen. Dadurch wird das Deutsche auch im schulischen Kontext als „In-Sprache“ aufgefasst. Gleichzeitig klagen die Interviewten allerdings, dass dadurch vor allem die Kenntnisse der kärntnerslowenischen Dialekte „noch stärker als ohnehin schon in familiäre Kontexte verbannt [werden] und verschwänden vollkommen aus dem öffentlichen Leben in den Wohngemeinden. Insbesondere bei den jüngeren Generationen sei die Fähigkeit, sich in der lokalen Mundart zu verständigen, zum Teil massiv zurückgegangen, diese würde im besten Fall noch verstanden, doch aktiv beherrscht würde sie von den wenigsten Angehörigen der jungen Generation“, wie es Kolb in seiner Dissertation ausdrückt.

Die interviewten Jugendlichen berichten auch von Anfeindungen, die sie noch immer beim Gebrauch ihrer Erstsprache in der Öffentlichkeit, vor allem am Schulweg, erleben. Ebenso kommt es bei Sportveranstaltungen immer wieder zu offenen Provokationen, in Einzelfällen werden diese mit nationalsozialistischer Symbolik untermauert. Gleichzeitig wird für die Jugendlichen der Gebrauch des Slowenischen dadurch auch zu einer Art widerständigem Moment, was vor allem ältere Jugendliche ermuntert, in der Öffentlichkeit Slowenisch zu sprechen.

Seit 2011 gibt es zweisprachige Ortstafeln.
Foto: derstandard.at/Regine Hendrich

In den letzten Jahren stieg das Ansehen des Slowenischen in Kärnten. Das hat verschiedene Gründe, einerseits sterben auch die Aktivisten der Heimatverbände zunehmend aus, andererseits wächst Kärnten seit dem EU-Beitritt Sloweniens zunehmend mit der Alpen-Adria-Region zusammen und nicht zuletzt gibt es inzwischen durch Migration „fremdere“ Gruppen in Kärnten, die den Argwohn der „heimattreuen“ Kärntner aufsichziehen. Seit Jahren steigen die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht in Südkärnten, im Schuljahr 2018/2019 waren es bereits über 45 Prozent der Volksschüler im Geltungsbereich des Minderheitenschulwesens. Unter den Schülern in den zweisprachigen Klassen bringt nur ein kleiner Teil muttersprachliche Kenntnisse mit, der Großteil kann bei Schuleintritt die Sprache nur passiv oder einige wenige, meist dialektale Ausdrücke. Oftmals stammen diese Kinder aus Familien, in denen die Großelterngeneration noch Slowenisch spricht, nicht aber die Eltern der Kinder. Die Unterschiede in den Sprachkenntnissen führen naturgemäß zu Herausforderungen für die Lehrpersonen. Selbst zweisprachiger Unterricht wird wegen der Niveauunterschiede oft auf Deutsch geführt – eine unbefriedigende Situation für alle Beteiligten. Nach Kolb stellt „das partielle Verdrängen der slowenischen Sprache an zweisprachigen Volksschulen sowohl während als auch außerhalb des Unterrichts keineswegs eine Ausnahmeerscheinung, sondern ein kollektives Phänomen“ dar. Für eine Verbesserung der Situation wären deutlich mehr Ressourcen für die Volksschulen notwendig.

Bildung als Schlüssel zum Erhalt der Volksgruppe

Unterricht in der Erstsprache ist essenziell für den Erhalt der slowenischen Sprache in Kärnten. Doch die Möglichkeiten dazu sind eingeschränkt: Nach der Volksschule gibt es im Grunde nur eine weiterführende Schule mit slowenischer Unterrichtssprache, das BG und BRG für Slowenen in Klagenfurt/Celovec. Mittelschulen im Süden Kärntens bieten zwar meist Slowenisch als Freifach an, doch lag der Anteil der dort zum Slowenischunterricht angemeldeten Schüler lange Zeit nur bei etwa fünf Prozent. In den ehemaligen Hauptschulen wurde lange bemängelt, dass die Slowenischstunden oft in Randlagen lagen und somit wenig attraktiv waren. Erst mit der Einführung der Neuen Mittelschulen wurde ab 2012 das Slowenische besser in den Schulunterricht integriert, der Anteil der Anmeldungen in den Mittelschulen verdoppelte sich seither. Zusätzlich berichten die Interviewpartner in Kolbs Dissertation von Anfeindungen von Schülern, die zum Slowenischunterricht an Mittelschulen angemeldet sind, durch ihre deutschsprachigen Mitschüler. Dadurch ergibt sich für Kinder und Jugendliche, die eine Mittelschule und Lehre abschließen wollen, eine schwierige Situation.

Die verengten Bildungsmöglichkeiten in slowenischer Sprache in der Sekundarstufe schlagen auch auf die Bildungsstruktur innerhalb der Volksgruppe durch. Die Statistik Austria hat diese auf Grundlage der Volkszählung von 2001 ausgewertet und kam zum Schluss, dass sich unter jenen, die Slowenisch als Umgangssprache in Kärnten angegeben haben, überdurchschnittlich viele Akademiker, Maturanten und Menschen mit Pflichtschulabschluss befanden, während Lehrabschlüsse massiv unterrepräsentiert sind. Dazu kommt auch, dass sich das ehemals slowenischsprachige Landproletariat aufgrund des ökonomischen Drucks weitgehend assimiliert hat, während es für besser gebildete Menschen leichter war, die Sprache weiterzugeben.  

Gleichzeitig führt der hohe Anteil an Maturaabschlüssen innerhalb der Volksgruppe dazu, dass viele junge Kärntner Slowenen das Land für eine akademische Ausbildung in Richtung größerer Städte verlassen. Viele bleiben nach dem Studienabschluss in diesen Orten, wo allerdings die Sprachweitergabe aufgrund des fehlenden mehrsprachigen Schulwesens ungleich schwieriger ist.

Fehlender politischer Wille

Von der Politik kann sich die Volksgruppe in dieser Situation wenig erwarten. Zwar bekennt sich die Landespolitik zunehmend zur Volksgruppe im Land, doch wird lieber offiziell von der Mehrsprachigkeit im Alpen-Adria-Raum gesprochen, als das Slowenische als gleichwertige Sprache anzuerkennen. Das zeigte sich beispielsweise bei den Landesfeierlichkeiten zum 10.Oktober im Jahr 2015, als slowenische Lieder nur neben italienischen Liedern möglich waren. Als 2017 das Land Kärnten die Landesverfassung novellierte und bei dieser Gelegenheit die slowenische Volksgruppe in der Landesverfassung erwähnt werden sollte, legte sich die ÖVP quer und setzte die Nennung des Deutschen als einzige Landessprache durch. Auch wenn diese Formulierung aufgrund der in der Bundesverfassung gesicherten Minderheitenrechte rechtlich nur Symbolwirkung hat, ist es doch ein Zeichen, dass Kärnten auch im 21. Jahrhundert keinen gleichberechtigten Umgang mit seiner slowenischsprachigen Volksgruppe gefunden hat.

Auch auf Bundesebene ist die Situation aktuell alles andere als ideal. Zwar wird die Volksgruppenthematik erstmals seit zehn Jahren wieder in einem Regierungsprogramm erwähnt, doch dass Susanne Raab als Integrationsministerin auch für Volksgruppenfragen zuständig ist, hinterlässt einen schalen Beigeschmack, ganz so als ob sich die Volksgruppen in Österreich integrieren müssten. Wichtig wären im Gegenteil Maßnahmen, die eine weitere Assimilation der österreichischen Volksgruppen verhindern. Um bei dieser Gelegenheit gleich das immer wieder aufkommende Argument der angeblichen Diskriminierung der Mehrheitsbevölkerung vorwegzunehmen: Minderheitenrechte nehmen der Mehrheitsbevölkerung nichts weg. Oder um es mit den Worten des Schriftstellers Jani Oswald zu sagen: "Alle Kärntner haben ein Recht auf Slowenisch". (Gregor Novak, 9.10.2020)

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