Lüften führt zu einem besseren Luftaustausch im Raum und reduziert das Übertragungsrisiko.

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In der kalten Jahreszeit soll regelmäßiges Stoßlüften in allen privaten und öffentlichen Räumen helfen, die Gefahr der Ansteckung zu verringern – das verlautbarte kürzlich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Auch wenn es banal klinge, könne es das entscheidende Verhalten sein, Infektionsrisiken zu minimieren.

Während man sich andernorts über die deutsche Empfehlung fast schon lustig macht – etwa in einem Artikel des "Guardian" –, wird auch in Österreich schon länger auf die Wichtigkeit von Frischluftzufuhr hingewiesen.

So empfiehlt etwa auch das österreichische Gesundheitsministerium, in Büros, Kindergärten, Restaurants, Schulen oder Pflegeheimen regelmäßig zu lüften, um die Zahl möglicher Krankheitserreger in der Luft zu senken. "Die Festlegung fixer Intervalle für das Lüften (z. B. alle 20 Minuten) unterstützt die konsequente Umsetzung, senkt die Viruskonzentration und damit die Wahrscheinlichkeit einer Infektion sehr deutlich", heißt es etwa im Covid-19-Hygiene- und Präventionshandbuch für Schulen.

Quer- und Stoßlüften

In einer Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene (IRK) des deutschen Umweltbundesamts wird Schulen empfohlen, in jeder Unterrichtspause intensiv bei weit geöffneten Fenstern zu lüften, bei längeren Unterrichtseinheiten von mehr als 45 Minuten auch während des Unterrichts. Querlüften sei optimal, da hier über einen Durchzug über möglichst gegenüberliegende weit geöffnete Fenster Raumluft schnell gegen Frischluft austauscht wird. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es durch die Lüftung nicht zu einer Verbreitung infektiöser Aerosole in andere Räume kommt.

Als wirksam gilt auch eine Stoßlüftung bei weit geöffneten Fenstern über einige Minuten. Hustet oder niest eine Person, egal ob zu Hause, im Büro oder in der Schule, "sollte sofort eine Stoßlüftung durchgeführt werden", so das IRK. In stark belegten Räumen sei das bloße Ankippen der Fenster kaum wirksam, auch wenn es dauerhaft erfolgt.

Verdünnte Raumluft

Wer infiziert ist und niest, hustet, spricht oder auch nur atmet, hinterlässt kleinste Tröpfchen in der Luft – die so genannten Aerosole –, in denen das Virus enthalten ist. Sie schweben eine Weile und können durch Luftströmungen möglicherweise auch größere Distanzen zurücklegen, bevor sie auf den Boden absinken. Werden sie eingeatmet, kann dadurch eine Ansteckung stattfinden. Durch die frische Luft von draußen werden Aerosole zerstreut, die Raumluft wird verdünnt, und eine Ansteckung ist weniger wahrscheinlich. Laut einer japanischen Studie ist es 18,7-mal wahrscheinlicher, sich in geschlossenen Räumen zu infizieren als im Freien. Je lauter Menschen sprechen, desto mehr Aerosole schweben in der Luft.

Lüften kann demnach auch sinnvoll sein, wenn man mit einer positiv getesteten Person in einem Haushalt lebt und sich selbst nicht anstecken will. Selbiges gilt übrigens auch für andere Erkrankungen wie Grippe oder grippale Infekte.

Frischluft ist also entscheidend. Auf Klimaanlagen, die die alte Luft im Raum nur zirkulieren lassen, sollte verzichtet werden. Von den meisten modernen Lüftungs- und Klimaanlagen in Bürogebäuden, Flugzeugen oder in Operationssälen in Spitälern geht aber keine Gefahr aus. Denn sie tauschen die alte Luft ständig gegen frische von draußen aus.

Sind solche Anlagen vorhanden, sollten sie während der derzeitigen Pandemie möglichst durchgehend laufen, empfiehlt das IRK. In Räumen, in denen Sport betrieben wird, heißt es weiter, sei die Atemfrequenz und damit die Menge der emittierten Partikel deutlich erhöht. Deswegen sollte hier häufiger gelüftet und die Luft jede Stunde fünfmal durch frische Luft ersetzt werden.

Wie lange infektiös?

Eine Frage, die die Wissenschafterinnen und Wissenschafter derzeit noch beschäftigt ist, wie lange Viruspartikel in ausgeatmeten Aerosolen überleben können. In Bristol lassen Forschende das Virus aktuell unter verschiedenen Umweltbedingungen in der Luft zirkulieren. Sie haben einen Apparat entwickelt, der winzige virushaltige Partikel erzeugen und sie zwischen zwei elektrischen Ringen schweben lassen kann – für Sekunden, Stunden oder sogar mehrere Tage. Temperatur, Feuchtigkeit und UV-Lichtintensität werden streng kontrolliert und können verändert werden, um verschiedene Szenarien aus der realen Welt nachzustellen – etwa kalte, nasse Regentage oder die Umgebung in einer Sauna.

Ein erster Versuch mit einem für Menschen ungefährlichen Coronavirus, der Mäuse befällt, hat gezeigt, dass die Infektiosität innerhalb der ersten zehn Minuten, nachdem er ausgesetzt wurde, stark zurückgegangen ist. Er hat zudem bei zehn Grad Celsius weit länger überlegt als bei wärmeren Temperaturen. Das entspricht auch jenen Beobachtungen in Schlachthöfen, wo es verhältnismäßig viele Übertragungen gegeben hat – unter anderem wird vermutet, dass es an den dort niedrigen Temperaturen liegt. Die Ergebnisse der Forschenden mit Sars-CoV-2 werden in Kürze veröffentlicht und werden mit Spannung erwartet.

Denn dass Aerosole in der Luft nachgewiesen werden können, heißt nicht automatisch, dass das Virus auf diese Weise auch übertragen wird, hat eine Metaanalyse der Harvard Medical School ergeben. Gerade deshalb sind Versuche wie jener der britischen Forschenden so wichtig. Bis dahin heißt es weiter: Bitte lüften! (Bernadette Redl, 4.10.2020)