Ist nächste Woche im U-Ausschuss terminlich verhindert: Vorsitzender Wolfgang Sobotka.

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Dem grünen Parlamentsklub ist es absolut ernst: Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll als Vorsitzender des Ibiza-Ausschusses abtreten. Nicht nur deren Fraktionschefin im Untersuchungsgremium, Nina Tomaselli, legte ihm bereits nahe, die Leitung ruhen zu lassen, auch im Büro von Klubchefin Sigrid Maurer hielt man am Freitag auf Anfrage dezidiert fest: "Die Klubobfrau teilt die Einschätzung ihrer Fraktionsführerin im U-Ausschuss – und dass bis zu dieser Klärung die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) den Vorsitz übernehmen soll."

Auch die grüne Vizeklubchefin Ewa Ernst-Dziedzic sagt: "Alle im Klub teilen diese Einschätzung. Sobotka muss erklären, wie es zu den Unstimmigkeiten gekommen ist." Am Freitagabend erklärte auch noch Vizekanzler und Parteichef Werner Kogler in der "ZiB2": "Ich würde ihm einen Rat geben: Ich an seiner Stelle würde den Vorsitz nicht länger ausüben bis diese etwaigen oder tatsächlichen Widersprüche geklärt sind."

Verschiedenste Veranstaltungen

Zur Wochenmitte wurde bekannt, dass der Glücksspielkonzern Novomatic nicht nur das von Sobotka gegründete Alois-Mock-Institut mit deutlich höheren Leistungen als bisher bekannt finanziell unterstützt hat, sondern auch das von ihm dirigierte Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs sowie den NÖAAB, dessen Obmann Sobotka ist. Seitdem fordern alle anderen Parteien Sobotkas Abgang.

Zudem werfen die Ermittlungsakten täglich neue Fragen auf. So fragte ihn der Verfahrensrichter, ob er zu seinem Ex-Sprecher K., der dann für die Novomatic tätig war, Kontakt hatte. Sobotkas Antwort: "Man trifft sich bei verschiedensten Veranstaltungen." E-Mails zeigen aber, dass Sobotka über K. im Winter 2018 ein Gespräch bei Novomatic-Chef Johann Graf avisierte. Zu dem Termin, den er als NÖAAB-Obmann wahrnahm, kamen zwei Mitarbeiterinnen seines Parlamentsbüros mit. Darunter auch Tina Liebich-Oswald, Grafs Großnichte und Ehefrau des Novomatic-Aufsichtsratschefs.

Sobotka hat sich zu den jüngsten Enthüllungen bisher nicht erklärt. Kommenden Donnerstag lässt er sich im Vorsitz vertreten – vom ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger, weil: Er sei wegen Terminen verhindert, darunter falle auch die Präsidialkonferenz des Nationalrats.

Ordnungsruf von Neisser

Hinter den Kulissen ist man bei den Grünen verwundert, dass in der ÖVP kaum jemand ausrückt, um Sobtoka zu verteidigen. Normalerweise schieße die Kanzlerpartei in solchen Fällen ein halbes Dutzend Aussendungen hinaus – und zwar von Regierungsmitgliedern bis hinab zu den Hinterbänklern, heißt es. Doch nun sei alles anders. Nachsatz: "Und im Wiener Wahlkampfclinch mit der FPÖ gilt Sobotka derzeit offenbar als völlig nachrangig."

Auch ein altbekannter Schwarzer stärkt Sobotka nicht den Rücken: Heinrich Neisser, einst Zweiter Nationalratspräsident, sagt zum STANDARD: Sobotka hätte die Vorsitzführung im U-Ausschuss gar nicht erst annehmen dürfen. "Ich kann jedem Parlamentspräsidenten empfehlen, unter diesen Voraussetzungen nicht zu übernehmen. Unabhängig von der rechtlichen Problematik geht es um die Optik, die nicht gut ist. Jeden zweiten Tag kommt Neues heraus und man weiß nicht, ob nicht noch etwas kommt." Wenn man das Ansehen des U-Ausschusses wahren wolle, so Neisser, dann sollte man sich um Objektivität bemühen. (Nina Weißensteiner, Fabian Schmid, Jan Michael Marchart, 2.10.2020)