Wer zum ersten Mal ein Huhn von Patrick Birkl und seiner Frau Katharina Birkl-Weiskopf probiert, der kann sich auf was gefasst machen Es ist geschmacklich bereits auf dem Weg zur Gans oder zur Ente, mit hoch aromatischem Saft und einer beeindruckenden Fleischkonsistenz, vielleicht nicht gerade zart, dafür mit einem Biss, der das Zähne-darin- Versenken zu einer urigen Erfahrung macht.

Selbst die Brust, sonst beim Huhn ein schwieriges Stück, ist fest und geschmacklich üppig und trocknet beim Braten erstaunlich wenig aus. Die Australierin hat unser Brathuhn von den beiden kurz und bündig als "intensives Erlebnis" beschrieben.

Noch immer gibt es in Österreich einen Mangel an richtig guten (und einst richtig glücklichen) Hühnern. Katharina und Patrick sind ausgezogen, ein wenig Abhilfe zu schaffen. Patrick hat auf der Universität Nutztierwissenschaften studiert, erst zu Hause in Innsbruck, dann zwei Jahre in Kanada. Den Rest brachte er sich selber bei: "Die alten Bücher aus den 1920er-Jahren sind die besten", sagt er. "Sie sind zwar teilweise ethisch bedenklich, aber da steht alles drin, was man als kleiner Hendlbauer wissen muss."

Foto: Erik Lösch

Seit etwa einem Jahr betreiben die zwei den Hendlhof in der Steiermark und züchten dort Bresse Gauloise – ein Huhn, das unter Geflügelconnaisseuren als Legende gilt. Die Rasse stammt aus der Bresse in Ostfrankreich, nicht weit von dort, wo auch der Burgunderwein herkommt und Paul Bocuse und Fernand Point die moderne französische Küche schufen. Der große französische Gourmet Brillant Savarin hat sie zeitlos und vielzitiert als "die Königin des Geflügels, ein Geflügel für Könige" beschrieben, und wenn Sie heute irgendwo auf der Welt in einem Drei-Sterne-Restaurant Huhn zu essen, dann stehen die Chancen recht gut, dass es ein Bresse-Huhn ist.

Foto: Erik Lösch

"Das Bresse war im Gegensatz zu anderen alten Rassen stets eine lebendige Wirtschaftsrasse", sagt Patrick – soll heißen: Die Rasse ist stets gepflegt und auf guten Geschmack gezüchtet worden. Das heimische Sulmtaler etwa, meint er, wurde in den vergangenen Jahrzehnten wie ein Museumsstück behandelt: den wenigen Züchtern, die sich seiner annahmen, ging es mehr ums Aussehen als um die Fleischqualität.

Der auffälligste Unterschied zu anderen Hühnern sind die blauen Füße. Nicht strahlend azur- oder himmelblau, mehr dezent ins Blaugraue gehend, wie man das mit gutem Willen und an schönen Tagen auch von der Donau behaupten könnte.

Foto: Tobias Müller

Abgesehen davon sehen Bressehühner konventionellen Hendln zum Verwechseln ähnlich: weißes Federkleid, roter Kamm, unauffälliger Wuchs, ganz so, wie auch das "Hubbard Efficiency Plus", das häufigste Huhn im Hochleistungshühnerstall. Geschmacklich aber können sie in einer anderen Liga spielen.

Foto: Erik Lösch

Patrick beschreibt sie gern als Wagyu unter den Hühnern: Ähnlich wie das japanische Rind lagern Bresse mehr Fett in ihren Muskeln ein als andere Hendln (auch wenn es nicht so spektakulär viel ist wie bei den Kobes). Sie wachsen vergleichsweise langsam und brauchen vier Monate, um ihr Schlachtgewicht zu erreichen (bei konventionellen Hühnern sind es etwa vier Wochen), außerdem haben sie einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Wenn sie dem nachgeben dürfen, sorgt das dafür, dass ihr Fleisch dunkler und geschmacksintensiver wird.

Die Rasse macht aber nur "50 Prozent" eines köstlichen Huhns aus, meint Patrick – der Rest ist Haltung und Futter. Die steirischen Bresse haben das ganze Jahr über eine zwei Hektar große Wiese mit Obstbäumen und Beerenbüschen zu ihrer Verfügung, die sie sich nur mit ein paar Zackelschafen teilen müssen. Die schrecken mit ihren spektakulären Hörnern Raubvögel ab.

Wenn ihnen doch einmal nach Dach über dem Kopf ist, wartet ein großer Stall (die Branche misst in Kilo Huhn pro Quadratmeter – in Patrick und Katharinas Stall sind es 12, in der Biohaltung sind 28 erlaubt) mit, darauf ist Patrick ganz besonders stolz, genug Stangen, damit jedes Huhn nachts auf einer schlafen kann.

Foto: Erik Lösch

Wenn man mit Patrick und Katharina über ihre Wiese spaziert, dann folgt einem eine blaufüßige, gackernde Schar. Spaziergänger schrecken Heuschrecken und andere Insekten auf, die die Bresse besonders gern verspeisen. Weil reine Wiesen-Picker vielleicht über die Runden kommen, aber keinen fetten Braten ergeben, bekommen sie eine Getreidemischung – und, ab vier Wochen vor der Schlachtung, ein besonders üppiges Mastfutter aus Molke und Mais.

Foto: Erik Lösch

In Frankreich werden Bresse traditionell die letzten Wochen in kleinen, dunklen Boxen gehalten und mit Kraftfutter gemästet – weil sie sich kaum bewegen und meist schlafen, werden sie besonders fett. Ähnliche Praktiken waren bis vor gar nicht allzu langer Zeit auch bei uns und auch beim klassischen Haushuhn üblich, bis hin zum Stopfen wie bei Foie-Gras-Gänsen. Weil sich das nicht mit Patricks und Katharinas Vorstellungen von Tierwohl vereinbaren lässt, setzen sie auf die natürliche Gier ihrer Hühner.

Die Tiere werden zwei Mal im Jahr geschlachtet: einmal im Sommer, Anfang August, und einmal im Winter kurz vor Weihnachten – für den Wintertermin gibt's noch ein paar Restexemplare. Die Hennen sind dann etwa 1,5 Kilo, die jungen Hähne ungefähr zwei Kilo schwer. Mägen, Lebern, Herzen und die Kämme können auf Wunsch in verschiedenen Mengen extra dazu bestellt werden. Experimente mit Kapaunisieren per Rotklee-Fütterung sollen folgen – das Kastrieren von Hähnen, um sie zu Kapaunen zu machen, ist in Österreich nämlich verboten.

Ein steirisches Bresse kostet stolze 28 Euro pro Kilo. Wenn Sie es aber aus dem Ofen ziehen, duftend, tief golden braun und knusprig, dann wissen Sie wieder, was ein Festtagsbraten ist.

Ein paar Dinge, die Bresse-Huhn-Köche bedenken sollten

Schon wenn Sie Ihr Bresse das erste Mal in der Hand halten, werden Sie merken, dass das ein anderes Biest ist. Die Brust ist merkbar kleiner, die Schenkel merkbar strammer als bei Allerweltshühnern. Ich habe einen Bresse-Junghahn bestellt, schlicht, weil er größer ist und ich so viel Bresse wie möglich haben wollte, weswegen der Effekt, schätze ich, nochmal ausgeprägter war.

Nach Rücksprache mit Heinrich S., Bresse-Verehrer und "Hendlhof"-Entdecker, habe ich es als klassisches Brathuhn zubereitet, mit Zitronen gefüllt, und relativ heiß (190 Grad) und lang (1,5 Stunden) erst mit geschützter Brust (Alufolie), dann unbedeckt gebraten. Das Ergebnis war, siehe oben, umwerfend gut (vor allem die Bratensauce!!!), aber noch nicht perfekt.

Foto: Tobias Müller

Die gute Nachricht: Die Brust eines Bresse trocknet erstaunlich wenig aus, auch wenn man sie (wie zwangsläufig beim Brathuhn) ein wenig übergart. Sie ist fester, kerniger und saftiger als jene der meisten anderen Hühner.

Das gilt allerdings auch für die Haut: die meines Bresse war nach dem Braten zwar knusprig, aber erstaunlicherweise immer noch recht zäh. Patrick empfiehlt, sie regelmäßig mit Butter zu übergießen.

Foto: Tobias Müller

Der Heinrich S. hat seines zerlegt, sous vide geschmort und dann unter dem Salamander knusprig gebraten – das Ergebnis soll famos gewesen sein.

Foto: Tobias Müller

Mein nächstes Bresse wird höchstwahrscheinlich ein Schmorgericht. Bis dahin tröste ich mich mit Mägen und Kämmen, von denen Katharina und Patrick immer zu viele haben. Wer mag, der kann und sollte mit seinem Huhn gleich welche mitbestellen.

Foto: Tobias Müller

Andere außergewöhnlich gute Hühnerquellen:

Erni und Erna verkaufen auf ihrem Stand am Naschmarkt-Bauernmarkt (zweiter Fleischer im Gang ganz rechts, wenn Sie von der U4 Kettenbrückengasse kommen) Freitag und Samstag mitunter sehr gute, langsam gewachsene Landhühner.

Der Biobauernhof Pfaller hat mehrmals im Jahr köstliche Biohühner und -enten im Programm.

Und die Moosdorfer Gockel von Ja!Natürlich habe ich ebenfalls in sehr schmackhafter Erinnerung.

Wer mehr weiß: bitte posten!

PS: Bevor sich wer beschwert: das Bresse-Huhn unterliegt wie Champagner einer geschützten Herkunftsbezeichnung. Als echtes Bresse-Huhn darf nur verkauft werden, was in der Bresse geboren und aufgewachsen ist. Die Hühner vom Hendlhof dürfen hingegen nur unter der Rassebezeichnung "Bresse Gauloise" firmieren.

(Tobias Müller, 4.10.2020)